Dieses Buch musste ich lesen. Nicht weil es inzwischen zur „must read“- Kategorie der angesagten Bücher seit 2001 gehört oder weil Spaß-Oberlektor Jürgen von der Lippe es mit dem Prädikat „Saukomisch“ ausgezeichnet hatte – nein, weil mich mein Neffe Peter beim Schmökern in seinem Bücherbestand überrascht und mir die Biff-Bibel dann zur dringlichen Lektüre empfohlen hatte, verbunden mit der Auflage, eine Rezension zu schreiben.
Ein bisschen verwundert war Neffe Peter (23) denn schon, dass der leselustige Onkel das Buch weder kannte, noch gelesen hatte. Und das jugendliche Befremden war berechtigt, hatte doch das 572 Seiten starke Werk z.B. bei Internet-Buchhändler Amazon bis dato schon 214 Rezensionen zu verzeichnen. Ich musste also lernen, dass Christopher Moore in den USA zu den meistgelesenen Autoren gehört und wegen einer Reihe von Bestsellern inzwischen Kultstatus genießt.
Irgendwie war ich wieder im globalen Lektüre-Rückstand – eine Feststellung, die den lesefreudigen Zeitgenossen mindestens bei jedem Besuch einer Buchhandlung in einen depressiven Gemütszustand versetzen müsste, wäre da nicht die Erfahrung von über sechs Lebensjahrzehnten, die besagt, dass keiner alles gelesen hatte, was es jeweils zu seiner Zeit zu lesen gab. (Dieses chronische Lese-Debet ähnelt den deutschen Staatsschulden – jeder weiß, dass es sie gibt, sie niemals zu tilgen sein werden und man trotzdem fröhlich auf das Wochenende wartet.) So freut sich denn der Leser seinem defizitären Lese-Leben zum Trotz, wenn er im endlosen Angebot wieder ein gelungenes Buch gefunden hat, das er dann auch gerne weiterempfehlen kann. Ja, Lesen soll ja Spaß machen. Das hat sich der Autor zumindest bei der Biff-Bibel vorgenommen. Also, können wir empfehlen…? Ja….gerne und unbedingt, aber…
Selbst der Autor empfiehlt den Lesern in seinem „Segensvorwort“ ihre Erwartungen zu sortieren und mit dem zufrieden zu sein, was in diesem Buch erzählt wird, das erklärter Maßen ein Roman sein will. Dass hier ganz unterschiedliche Erwartungen geweckt werden, das ist bei diesem Thema unvermeidlich. Da wollen nimmermüde Gag-Sucher, ernsthafte Bibelforscher, frivole Tabu-Brecher, seriöse Religionskritiker, Don’t-worry-Esoteriker, Exotensex-Freaks, literarische Niveau-Spaßvögel, langjährige Moore-Fans u.ä. auf ihre Kosten kommen.Biff-Moore hat für alle etwas, absolut.
Das Thema verführt einfach dazu: Wir bekommen eine Bibel-Version, in der endlich etwas über die unbekannten „wilden 30 Jahre des jungen Josua von Nazareth“ erzählt wird und zwar von einem, der es wissen muss, nämlich seinem besten Freund seit Kindertagen Levi bar Alphaeus alias Biff. Das Wort Bibel ist natürlich hier schon irreführend, weil ja Biffs Bibel nicht die ganze Bibel des sog. AT und NT ergänzen, sondern nur die Lebensgeschichte des Josua von Nazareth komplettieren will. Auch bleibt es dabei ja nicht bei den unbekannten „wilden“ Jugendjahren Josuas, der etwas sonderlichen Kindheit und den pubertären Schwierigkeiten des Gottessohnes und seinem berufsklärenden Asientrip in Kapitel 1 bis 4, sondern Teil 5 und 6 widmen sich ausführlich den Geschichten des öffentlichen Auftretens Josuas alias Jesus bis zu seiner Kreuzigung, wie sie in den kirchlichen Evangelien erzählt werden. Aber was soll’s?
Biff’s Bibel ist eine genial-lockere Persiflage auf alle frommen und ernst gestarteten Versuche einer Lebensgeschichte oder Biographie des Jesus von Nazareth, des sog. „wahren Lebens Jesu Christi“. Moore macht einfach satirisch Ernst mit dem wissenschaftlichen Fazit der „Leben-Jesu Forschung“: Die Evangelien sind keine historisch verlässlichen Jesus-Biographien. Ihre Verfasser gestalten dieses Jesus Christus-Leben literarisch frei nach ihren Kriterien. Moore nimmt sich die Autoren-Freiheit dieser Evangelisten und lässt seinen Biff eben seine Leben-Jesu-Geschichte erzählen.Und die ist eben etwas alternativ zu den bisher bekannten Versionen. Raziel, ein vom Himmel abgestellter strohdummer Engel, hat aufzupassen, dass Biff auch alles getreulich aufschreibt, was es von seinem Freund Josh zu erzählen gibt. Also denn…
Nur auf den ersten Augenblick scheint Biff’s Bibel sich bei Monty Pythons genialem Film „Das Leben des Brian“ bedient zu haben – ein Schuft, wer Böses dabei denkt! – Wäre aber sicher interessant zu wissen, wie sehr sich Moore’s „Biff“ durch den „Brian“ hat inspirieren lassen – Monty Pythons Stärke sind die unübertroffenen Gags in Text und Bild. Auch bei Moore lassen sich eine Menge„saukomischer“ Szenen und Dialoge zitieren, aber Moore geht es nicht nur einfach um den schnellen Lacher, der sich an den teilweise unsäglichen Lächerlichkeiten religiöser Vorstellungen und Verhaltensweisen bedient, seine Ironie und Satire scheint mir grundsätzlicher und hintergründiger zu sein. Er hat sich, wie im Nachwort zu lesen und im Buch überall spürbar, sehr wohl detailliert mit dem Judentum und dem derzeitigen Stand der exegetischen Jesusforschung auseinander gesetzt, genauso wie mit den religiös-weltanschaulichen Szenarien des Buddhismus und Hinduismus. Das allein ergibt aber ja noch keinen guten Roman.
Nein, ein guter Roman entsteht ja nicht nur aus einer pfiffigen Idee plus umfangreicher Recherche, sondern verdankt seine Qualität vor allem der kreativen Erzählkunst des Autors. Und die kann man dem Autor von Biff’s Bibel wirklich bescheinigen. Sein Einfallsreichtum ist umwerfend, auch wenn mir persönlich der Asientrip der beiden Identitätssucher Josh und Biff etwas zu lang geraten scheint. Aber Jesus als von Kaspar, Melchior und Balthasar ausgebildeter Boddhisatwa-Yogi und Biff als jüdischer Kungfu-Warrior, das macht schon Laune. Auch so herrliche Figuren wie die attraktive Maggie/Magdalena, Joshs Dauergroopie, die eigentlich nur Josh liebt, aber immer nur mit Josh-Freund Biff vorlieb nehmen muss oder Bart, den Dorfkyniker von Nazareth kann man nicht vergessen. Leider erinnern gelegentlich seitenlange Dialoge eher an Drehbücher für amerikanische Comic-Clips, aber manche Zeitgenossen schätzen ja genau diese Spezialitäten.
Fazit: Die „Bibel nach Biff“ – ein sehr vergnüglicher Lesestoff für alle Liebhaber hintergründiger Satire, skurriler Szenarios, und drastischer Plattitüden. Zudem vielleicht ein Anreger, sich ausführlicher mit dem historischen Umfeld christlich- jüdischer Religion oder auch indisch-chinesischer Weltanschauung zu befassen. Zitieren wir zum Abschluss einen Satz aus dem Prolog von Biffs Bibel, der sich „Segen des Autors“ nennt: „Jedes Buch offenbart seine Vollkommenheit durch das, was es ist, oder das, was es nicht ist“. Das wär’s dann… Ciao Biff!
K.S. – Nov. 2009
Nb. Wer noch mehr Erkenntnis über dieses Buch sucht, dem sei dieser Amazon–Link empfohlen .