P.J.Rourke – Reisen in die Hölle und andere Urlaubsschnäppchen
Schon der Buchtitel macht ja Laune und verrät etwas von dem Projekt, das offensichtlich nur mit einer ganzen Portion sarkastischen Humors zu bewältigen war. O’Rourkes Reisen in elf Krisenregionen der Erde von 1984 bis 2005 waren wahrhaftig keine Urlaubsreisen – schon gar keine Urlaubsschnäppchen –, sondern eher Dienstreisen eines engagierten Reporters, der es sich partout antun wollte, über den Zustand unserer Welt aus eigener Erfahrung zu berichten, besonders von dort, wo uns Normalurlaubern damals schon bei den Namen der Reiseziele die Lust am Reisen verging.
Oder wer von uns wäre schon gerne aus purer Reiselust 1984 in den Bürgerkriegs-Libanon, 1988 nach Nordirland oder in die palästinensische Intifada nach Israel, 1992 nach Bosnien oder 1997 nach Tirana usw. gereist? Orte des Schreckens, von denen man hoffte, dass sie möglichst bald keine Nachrichten mehr produzierten. Wir sind ja so gerne bereit zu glauben, dass ja alles schon irgendwie okay sei, wenn Radio und TV nichts mehr berichteten… O‘Rourke war trotzdem dort!
Dass es dem Autor vor Ort gelegentlich wie die Hölle vorgekommen sein mag, glaubt man gerne, wenn man seine Reportagen liest, mit der kleinen Einschränkung, dass es dann doch eher eine Form der Vorhölle gewesen sein muss, die ihm ja immer erlaubte, ihr wieder zu entkommen. Er besucht ja zumeist „Länder, in denen nichts funktioniert, aber alles irgendwie geregelt werden kann.“ Und das provoziert Pointen. Ein anderer Rezensent dieses Buches titelte: „ Man soll lieber einen Freund verlieren als eine gute Pointe“. Und die Pointen und geniale Formulierungen machen diese Reiseberichte wirklich zum Lesevergnügen.
Kapitelüberschriften wie „Bummeltour durch den Libanon“, „Das Heilige Land – Gottes Affenhaus“ oder „Make Lunch, not War“ usw. verführen dazu zu glauben, man hätte es bei dem Autor eventuell mit einem literarischen Commedian zu tun – weit gefehlt. Unter der Hand bekommt der Leser sehr viel detaillierte Information über Land und Leute. Warum gehen sich Menschen einer bestimmten Region gegenseitig an die Gurgel, warum geht es einem Land so schlecht, wie es ihm eben geht? Sind die westlichen Ideale von Freiheit, Gleichheit und Demokratie wirklich so universell hilfreich? Was hilft denn überhaupt einem armen Land wie Tansania?
O‘Rourke ist ein entschiedener Gegner staatlicher Programme, und obwohl eigentlich überzeugter Vertreter des ökonomischen Laissez faire der “Chikago-boys“ Milton Friedmans, kommen ihm doch z.B. in Albanien recht sarkastische Gedanken zur menschlichen Freiheit beim Beschreiben des chaotischen Autoverkehrs von Tirana und dem Vertrauen der Menschen in die katastrophal gescheiterten Renditeversprechen albanischer Banken. Noch mehr Sarkasmus allerdings beim Autor, als er 2005 nach Gouadeloupe in die Karibik reist, wo damals auch dort über die Verfassung der Europäischen Union abgestimmt wurde. „In Goudeloupe taten die Leute nicht viel – am allerwenigsten abstimmen….das Departement stimmte beim Referendum mit „Qui“, wenn auch nur mit einer Nichtstuer-Beteiligung von 22 Prozent….Der Flughafen war brechend voll, aber alle Duty-Free-Shops hatten geschlossen.“
…aber am Horizont geht es irgendwie weiter – warum und wohin, danach darf man unseren Autor vielleicht besser nicht fragen. Die Verhältnisse eignen sich nur schlecht für sichere Prognosen. Seine „Reiseerfahrungen in der Hölle“ jedoch, sind m.E. äußerst lesenswert (KS)
Ps. Danke an meine belesene Schwester H. für das Buchgeschenk zu Weihnachten.