Laut einer Meldung vom Sonntag, dem 28.03.2021 verübten islamistische Terroristen einen Selbstmordanschlag auf die Gottesdienstbesucher der katholische Kathedrale von Makassar in Süd-Sulawesi (Süd-Celebes). Beim Versuch, mit einem Motorrad direkt in den Kirchenraum zu gelangen, wurden die beiden Attentäter vom Sicherheitspersonal aufgehalten und zündeten ihre Bombe noch außerhalb der Kirche. Etwa 20 Menschen wurden verletzt – die beiden Attentäter kamen durch ihre Bombe ums Leben. Die Polizei kennt inzwischen die Identität der Attentäter: ein junges Ehepaar – die Frau im 4. Monat schwanger – Teil einer islamistischen Terrorgruppe, deren Mitglieder inzwischen auch verhaftet wurden. Ob eine direkte Verbindung zum IS besteht, ist noch nicht hinreichend geklärt.
Immer wieder wurde Indonesien, ein Land mit über 200 Millionen Muslimen, in den vergangenen Jahren mit islamistisch motiviertem Terror konfrontiert. Präsident Joko Widodo hat auch dieses Mal eindeutig und scharf dieses Verbrechen verurteilt. Aber immer wieder ist auch aus dem Munde führender Muslime zu hören, dieser abscheuliche Terror habe nichts mit der Religion des Islam zu tun. Es seien eben einfach Terroristen, denen die Polizei das Handwerk legen müsste.
Sie verweigern sich aber dezidiert der Einsicht, dass die Attentäter dieser Gruppen sich ganz bewusst als muslimische Kämpfer des „wahren Islam“ verstehen und deswegen bereit sind, in diesem Kampf gegen die als Feinde betrachteten Nichtmuslime auch ihr Leben zu opfern – in der Hoffnung, ein Vorbild für andere Muslime zu sein, und nach ihrem Tod als Märtyrer ins Paradies zu gelangen. Hier ist eine religiöse Auseinandersetzung angesagt, die man nicht der Polizei überlassen kann.
Es sind dieselben muslimischen Persönlichkeiten, die vor vier Jahren den christlichen Gouverneur von Jakarta Basuki Tjahaja Purnama (Ahok) gerichtlich zu zwei Jahren Gefängnis verurteilen ließen, weil er im Wahlkampf seinen Gegnern Missbrauch von Koranversen für ihre parteipolitische Propaganda gegen ihn vorgeworfen hatte. Indonesien erlebt seit einigen Jahren leider eine religiöse Renaissance des Islam, mit der die multiethnische Zivilgesellschaft zunehmend schwer zurechtkommt. Für die indonesischen Christen kommt dieser Anschlag nicht ganz überraschend.
Auch wenn es uns Europäern schwerfällt zu verstehen, was Menschen in „Echtzeit des 21. Jahrhunderts“ dazu bringen kann, zu glauben, mit solcher selbstvernichtender Mordbrennerei in ein reichlich infantiles jenseitiges Paradies zu gelangen, dann muss daran erinnert werden, dass die Zeiten noch nicht so lange vorbei sind, in dem wir Christen in Europa in Zeiten der Reformation und Gegenreformation uns gegenseitig umbrachten – in der gläubigen Überzeugung, dem Christen-Gott damit einen Dienst zu tun. Dem katastrophalen Problem ist nicht ganz leicht beizukommen. Es ist ganz tief in unserer menschlichen Kondition verwurzelt und führt überall auf der Welt immer wieder zu neuen grausamen Varianten.
Die kürzlich verstorbene Theologin Uta Ranke-Heinemann beschreibt in ihrem 2002 erschienenen Buch „Nein und Amen – Mein Abschied von traditionellen Christentum“ die deprimierende Diagnose dieses bestimmten Typs von Religion:
„Die Menschen sind in ihrem Kampf für eine gute Sache gefährlicher als in ihren egoistischen Aggressionen. Es werden mehr Menschen auf offenem Schlachtfeld umgebracht als heimtückisch ermordet. In ihrem Engagement für das Gute irren die Menschen besonders häufig, weil sie bei ihrer Entscheidung für etwas Gutes sich leicht von Vorurteilen leiten lassen und ihre Entscheidung überstürzen und sich für Dinge einsetzen, die sie nur unzureichend durchschaut und so eigentlich nicht gewollt haben.
Am gefährlichsten sind die Menschen in ihrer fanatischen Hingabe an ein falsches Credo, in ihrem Fanatismus. Man spricht in diesem Zusammenhang von »religiösem Fanatismus«. Das ist jedoch eine Tautologie, d. h., das Gleiche wird in überflüssiger Weise zweimal gesagt – wie beim »weißen Schimmel« oder »runden Kreis“. Gemäß seiner Sprachwurzel ist nämlich jeder Fanatismus religiös. Fanatismus kommt von dem Wort fanum = das Heilige. Alles, was außerhalb des Heiligen liegt, ist das Profane.
Fanatismus ist der Kampf für das Heilige, er ist die Geisteskrankheit der Frommen. In ihrem blinden Eifer für das höchste Gut, nämlich für Gott, übersehen sie die ihnen wie allen Menschen von Gott ins Herz einprogrammierte goldene Verhaltensregel, die da lautet: Menschlichkeit und Barmherzigkeit.“
„Bismillahi l-rahmani l-rahim“ – „Im Namen Gottes des Allerbarmers, des Allbarmherzigen.“
So beginnt der Koran. Es ist der erste Vers der ersten Sure, der auch von diesen fanatischen Moslems in Indonesien täglich zitiert wird. Was ist in den Herzen dieser jungen Fanatiker passiert, dass sie zugunsten eines irrwitzigen Dschihad den Sinn dieses zentralen Verses im Koran so vergessen haben? Wir sind traurig und ziemlich deprimiert.
(KS – März 2021)