Kategorie-Archiv: Nias

Das Herz von Hia spricht

Johannes Maria Hämmerle

DAS HERZ VON HIA SPRICHT

Die Urbevölkerung von Nias/ Indonesien

Bekommt man dieses  400 Seiten dicke Buch in die Hände, dann machen eventuell gleich zwei Dinge neugierig:    Das Bild einer Tigerfigur – mehr wie ein Leopard gefleckt – auf einem Tragepodest und dazu der Buchtitel „Das Herz von Hia spricht“.  Da möchte man ja gerne  wissen, was denn beide miteinander zu tun haben könnten. Davon soll später noch die Rede sein. Aber der Untertitel erklärt dann ein wenig,  worum es geht:   „Die Urbevölkerung von Nias / Indonesien“. Nias, ein kleines – der großen Insel Sumatra vorgelagertes – Eiland  im indischen Ozean.  

Dieses Nias war in Deutschland bis vor wenigen Jahrzehnten  nur einer Handvoll Ethnologen bekannt. Schon länger und intensiver allerdings der seit 1865 tätigen ev. Rheinischen Missionsgesellschaft (RMG) – Wuppertal, und seit 1955 den kath.  Missionaren der Rheinisch-Westfälischen Kapuzinerprovinz.  Das hat sich inzwischen etwas geändert, als ab den 1990-er Jahren die internationale Surfer-Elite die großen Wellen in der Lagundri-Bucht in Südnias entdeckte. Zwar hatten Touristik-Unternehmen schon in 1970-er Jahren die Attraktivität der großen Adat-Dörfer in Südnias  in ihren Notizbüchern, aber die völlig unterentwickelte Infrastruktur der Insel ließ die Geschäfte nicht richtig in Gang kommen. Die Insel zu besuchen, war immer noch ein touristischer Geheimtipp.

Das änderte sich schlagartig, als 2004 der katastrophale Tsunami  von Aceh/ Nordsumatra und 2005 ein verheerendes Erdbeben der Stärke RS 8,7 die Insel Nias ins Rampenlicht der internationalen Öffentlichkeit rückten. ( nb. Der vertikale Stoß dieses Bebens von 2005 war so stark, dass der westliche Teil der Insel ca. 3 m angehoben wurde und sich die Küstenform der Insel drastisch veränderte) Eine Welle der Hilfsbereitschaft – vor allem auch aus Deutschland – und ein fünfjähriges Wiederaufbauprogramm der Regierung erschloss die Insel erfolgreich  für die Außenwelt.  Und damit begann auch ein erhöhtes touristisches Interesse an der einzigartigen Kultur der Insel Nias.

Und hier setzt die Arbeit des Autors Johannes Maria Hämmerle an, eines deutschen Kapuzinerpaters –  inzwischen mit indonesischem Pass – der seit 1972 auf der Insel lebt. Neben seiner Tätigkeit als Pastor, begann er schon bald, sich sehr intensiv mit der offensichtlich verschwindenden Kultur des alten Nias zu beschäftigen, die durch die 150 jährige Christianisierung und den rasanten Modernisierungsschub in der Bevölkerung immer mehr in Vergessenheit zu geraten schien. 

„Nias, eine eigene Welt“

Er begann mit dem Sammeln von Texten in niassischer Sprache  der nur in mündlicher Form überlieferten Gesänge und Rezitationen der ehemals großen Feste der alten autochtonen Niaskultur. Er begann sie zu notieren und  seit 1984 auch zu publizieren. Das ermöglicht einer Generation junger Niasser den Zugang zu ihrer eigenen – heute fast vergessenen – Tradition und bestärkt sie, im großen Konzert der vielen lokalen indonesischen Kulturen  mit berechtigtem Stolz sich zu ihrer eigenen Kultur zu bekennen.  Darüber hinaus gründete P. Johannes in der Hauptstadt Gunung Sitoli das  „Museum Pusaka Nias“ ( Museum des Erbes von Nias),  in dem den  – vor allem niassischen – Besuchern die Begegnung mit Zeugnissen und Artefakten der Niaskultur erfahrbar wird.  

Eine ausführlichere Darstellung der hier skizzierten Informationen bekommt der Leser in der interessanten Einleitung des Buches, die sehr notwendig ist, um sich einen Zugang zum Inhalt  des Buches zu ermöglichen.  Für Leser, die schon  das 1999 erschienene Buch  des Autors „Nias, eine eigene Welt“  (Academia Verlag – St. Augustin)  gelesen  hatten, wird vieles in diesem neuen Buch nicht ganz so fremd und exotisch sein – aber auch damals schon ein Buch für „Nias-Insider“.  

In diesem neuen Buch geht es noch konzentrierter um ganz bestimmte überlieferte Texte und kulturelle Traditionen speziell in Südnias.  Wenn in diesem Buch das „Herz von Hia spricht“, dann spricht es vor allem von den Traditionen, der Adatkultur  von Südnias, speziell  dem Gebiet von Maenamölö. Hia als der mythische Urahn und Urvater, auf den sich alle Sippen (Mado) und Dörfer (banua) in Südnias zurückführen,    so wie wir es heute noch mit seinen bekannten Dörfern, Pfahlhäusern und Menhiren, den  ‚Adu‘  kennen. Es spricht Hia als Börönadu = Grund und Anfang der Adu, – Symbol der Ahnenverehrung – mit dem die uns bekannte Niaskultur ihren Anfang nahm. Hia spricht  zu seinen Kindern und Nachfahren. 

Waren frühere Ethnologen  davon ausgegangen, dass diese Kultur sich auf eine protomalayische Zuwanderung vor etwa 2000 Jahren gründete, so glaubt  P. Johannes M. Hämmerle genügend Gründe gefunden  zu haben, dass diese uns bekannte und erforschbare Kultur – jenseits aller früheren Zuwanderungen – „nur“ etwa 600 Jahre alt sein dürfte.

„Die mündliche Tradition von Nias begann vor ca. 600 Jahren mit der Einwanderung einer kleinen Gruppe von der Westküste Sumatras nach Südnias. Die Physiognomie der Bewohner weist oft chinesische Züge auf. Die mündliche Tradition berichtet vom Beginn der Ahnenfiguren (adu) und von der Ahnenverehrung in Gomo, Börönadu.  

Hier in Gomo fanden diese Einwanderer ihre erste Heimat auf Nias. Sie brachten die Sitte, das Adat-Recht, mit. Sie führten die Schmiedekunst und das Zimmermannshandwerk ein. Jetzt erst konnte sich die einzigartige Architektur der niassischen Pfahlhäuser entwickeln. Die mündliche Tradition berichtet von den Errungenschaften dieser Neuzeit.

Die Saembu-Figur in Gestalt einer schönen Frau und Göttin sowie die Tigerfigur werden in Prozession umhergetragen. Bei der Feier dieser beiden Prozessionen geht es darum, die Rechtsversammlung zur Erneuerung, Formulierung und Bestätigung der beschlossenen Gesetze abzuhalten.“ (Zitat)

Auch die schon auf dem Buchcover abgebildete Tigerfigur scheint ein Beleg für diese Zuwanderung aus Sumatra zu sein. Auf Nias hat es nie lebende Tiger – wie etwa bis heute auf Sumatra – gegeben. Trotzdem dient die Figur dieses Tieres als Symbol der Macht und des Rechts der Dorfchefs, die auch ihre Repräsentationsschwerter (tolögu) mit echten Tigerzähnen schmückten.

Auch ein Blick in die Geschichte Chinas als maritime Großmacht des 14. Jahrhunderts  im südostasiatischen Raum, lässt eine chinesische  Zuwanderung in Nias in dem genannten Zeitraum als möglich erscheinen.  Trotz der doch sehr überzeugenden Argumente zur  kulturellen Genese der Niasser,  harren doch noch eine Reihe von Fragen auf eine befriedigende Antwort. Zum Beispiel ist die niassische Sprache kein chinesischer Dialekt, wie man es vielleicht aus dieser Zuwanderungsthese erwarten könnte, sondern wird von den Ethnologen der protomalayischen  Sprachfamilie zugeordnet.  Aber vielleicht gibt es auch für dieses Problem bald eine befriedigende Antwort.  Als Laie ist man in diesem Bereich ganz auf das Wissen der Fachleute angewiesen, die diesen Ansatz diskutieren  müssen.

Probleme mit der Lektüre

Obwohl das Buch in einem flüssigen und gut lesbaren Deutsch verfasst ist, wird dem deutschen/europäischen Leser dieses Buches Einiges abverlangt. Die Bilder und Vorstellungen der mythischen Texte sind uns nur schwer zugänglich und verstehbar, machen aber deutlich, in welcher Vorstellungswelt sich das Leben der alten Niasser bewegte. „ Nias , wahrlich eine eigene Welt.“ In diesem  neuen Buch  belegt eine Fülle von Texten,  Genealogien, Dorf und Flussnamen, ein umfangreiches  Glossar niassischer Worte und Idioms, Zeichnungen und Fotografien die bewundernswerte  Kenntnis und Fleißarbeit des Autors, deren Bedeutung eigentlich nur ein ethnologisch interessierter „Nias-Insider“ wirklich zu würdigen weiß.  

Deswegen darf man auch die deutschen Leser beglückwünschen, die sich eine so spezielle Lektüre zutrauen, und die dann sicher auch für  fünf Sterne plädieren würden, die dieses Buch sicher verdient. Dank auch an den Academia Verlag- Sankt Augustin, der 2018 die Publikation eines so speziellen Werkes  für den deutschen Leser ermöglichte. (KS 2020)

INDONESIENREISE 2012

Von Manado nach Lahewa

Nias: Am Strand von Soroma°asi /Lahewa

Nias: Am Strand von Soroma°asi /Lahewa

Seit zwei Wochen sind wir nun zurück aus Indonesien. Der Jet-Lag hat nachgelassen, aber die Seele –  die ja bekanntlich zu Fuß geht – ist bemüht, sich hier in Deutschland wieder heimisch zu fühlen.  Sechs intensive Wochen in Indonesien wollen verdaut sein. (Nb. Wem die Lektüre zu lang ist, der kann sich auch nur  die Links mit den Fotos anschauen, sofern ihm die kurzen Bild-Kommentare reichen)

Dienstag, 18. September, 12:00 Uhr Abflug von Düsseldorf mit „Etihad Air“ via Abu Dhabi nach Jakarta.  „Etihad Air“ hat ordentliche Flugzeuge und einen guten Service, verlangt auf dieser Route jedoch viel Geduld mit langen Transit-Zeiten in Abu Dhabi: Wir durften sechs Stunden auf unseren Anschlussflug warten. Aber –  Bismillah! – was nimmt man nicht alles für einen preiswerten Flug in Kauf!  Ankunft in Jakarta jedenfalls am darauffolgenden Tag  um 14:15 Uhr Ortszeit.  Zwei Stunden Zeit für  Auschecken, Passkontrolle und  erneutes Einchecken bei  „Lion-Air“, einer Inlandfluglinie. Dann  Weiterflug von Jakarta nach Surabaya, wo uns kurz nach 18:00 Uhr Khae und Lian am Flughafen begrüßen konnten.

 Fünf Tage  Surabaya   – Fotos

Ein frohes Wiedersehen mit unseren alten Freunden aus Aachener Zeiten in der Sittarderstraße.  Da ihre Kinder alle aus dem Haus sind, ist reichlich Platz und Zeit für Gäste.  Wie schon 2010 waren Khae und Lian  wieder ganz wunder-bare Gastgeber. Und wie vor zwei Jahren  war alles schon prima vorbereitet, damit wir uns möglichst problemlos akklimatisieren konnten. Aircon im Schlafzimmer sorgt bei Außentemperaturen von fast 30°  für einen erholsamen Schlaf. Nach zwei Tagen waren denn auch die unvermeidlichen Jetlag-Probleme überwunden (Surabaya hat sechs Stunden Zeitvorsprung zu Deutschland.) Indonesisch als Umgangssprache funktionierte  auch wieder. Nur meine Darmflora brauchte etwas länger, bis sie sich mit den neuen Umständen abfand, zumal ich – kaum in Indonesien gelandet – sofort wieder mit Hingabe die geliebten  Kretek-Zigaretten schmauchte. Khae hatte schon im Voraus meine Lieblingsmarke Gudang Garam besorgt.

Khae musste zwar noch zwei Tage in seine Firma am Stadtrand von Surabaya. Aber dann zum Wochenende hatte er sich einen zusätzlichen freien Tag genommen und chauffierte uns Freitag-Morgen in seinem Toyota Innova souverän durch das Verkehrschaos von Surabaya zum Ferienhaus von Lians Familie in Trawas, in den kühlen Bergen von Ostjava. Am Samstag machten wir eine schöne Fahrt nach Pacet in das Gebirge nordwestlich des schlafenden Vulkans Gunung Arjuna und trafen uns da wie zufällig mit  Lians Bruder Sun und seiner Frau Ino zum Essen in einem schön gelegenen Bergrestaurant.

Das „zufällige“ Treffen war aber beileibe nicht zufällig: Lian hatte ihre Handy-Kontakte spielen lassen. Die immer aktiven Black-Berries und Smartphones machen solche spontanen Verabredungen möglich. Man ist immer online und erreichbar, und ohne diese Dinger geht nichts mehr im Indonesien von 2012. Indonesien ist pausenlos online…  Wir profitierten ein wenig davon: Die  fünf Tage mit Lian und Khae vergingen wie im Fluge und Dienstag, dem 25.09. hieß es Abschied nehmen von  Surabaya.  

Vier Tage Manado – Fotos

Die nächste Station unserer Reise hieß Manado, die Hauptstadt von Nord-Sulawesi (Nordcelebes). Eigentlich wollten wir gemeinsam mit Khae und Lian dorthin reisen und ein paar gemeinsame Tage dort verbringen. Doch Khae war schlussendlich für die entsprechende Zeit in seiner Firma leider unabkömmlich – eine Spezialmaschine, frisch geliefert aus der Schweiz, sollte in Betrieb genommen werden – unsere gemeinsamen Reisepläne mussten gecancelt werden. Schade, schade…   Weiterlesen…..hier!

Nias 2010 – Reisenotizen

Fünf Jahre nach dem Erdbeben  (Fotos)

Donnerstag, 25. Februar 2010 — Es ist 8:30 Uhr als unsere Maschine auf dem Flughafen Bhinaka in Nias landet.  Etwa eine Stunde brauchen die Propellermaschinen  der Riau-Airlines von Medan (Nordsumatra) bis nach Nias. Endlich wieder in Nias! Unsere Familie wartet schon sehnsüchtig auf uns. Eigentlich sollten wir schon sehr viel eher wieder nach Nias kommen. Inzwischen waren aber doch wieder vier Jahre vergangen seit unserem letzten Besuch.  Außer dem Wiedersehen mit unserer Familie in Lahewa, wollten wir auch mit eigenen Augen sehen, was denn in der Zwischenzeit an Wiederaufbau in Nias geleistet worden war.

Damals  in 2006, ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben – war noch kaum etwas von  Wiederaufbau zu  sehen, das diesen Namen verdiente. Die ganz wichtigen Infrastrukturprojekte des BRR, der staatlichen Wiederaufbaubehörde,  schienen irgendwie ohne Realisierungsdruck oder eventuell von interessierter Seite blockiert.   Ich schrieb damals in meinem Reisebericht: „Ohne die Arbeit der privaten und kirchlichen Hilfsorganisationen brauchte man von Wiederaufbau gar nicht zu sprechen. Das ist Fakt.“ Die Arbeit dieser Organisationen war auf Hilfe im privaten Bereich konzentriert, aber zunehmend abhängig vom Fortschritt der Arbeiten infrastruktureller Art.  Wie sollte man z.B. zerstörte Häuser und Schulen in den abgelegeneren Dörfern wieder aufbauen, wenn Straßen und Brücken nicht befahrbar waren, um das Baumaterial dahin zu schaffen?

Auch wenn man in den folgenden Jahren im Internet Berichte von Erfolgen beim Wiederaufbau der Insel zu lesen bekam, die Skepsis wollte nicht weichen: Hatten denn die eingesetzten Hilfsgelder von ca. 1 Mrd EUR  tatsächlich zu erkennbaren Ergebnissen geführt? Zumal es auch immer wieder zu berichteten Skandalen bei der Auftragsvergabe und Ausführung gekommen war.  Dieser Skepsis konnte nur ein persönlicher Besuch abhelfen. Die Phase des Wiederaufbaus war planmäßig  Mitte 2009 offiziell beendet worden. Alle Projekte mussten also bis dato beendet sein. Für uns als Besucher natürlich nicht überprüfbar, ob mit dem investierten Geld nicht mehr zu machen gewesen wäre, und ob das Geld immer in den richtigen Taschen gelandet war. Die persönlichen Beobachtungen beschränken sich also auf die sichtbaren Seiten des wieder aufgebauten Nias.Um es vorweg zu nehmen:

Es tut gut, angenehm überrascht zu werden.

Wir fanden ein Nias vor, wie wir es nicht kannten. Beeindruckend, was in den vier bzw. fünf Jahren geleistet wurde. Nias hatte einen mächtigen Sprung in die zivilisatorische Moderne gemacht und Anschluss an die indonesische Normalität gefunden. Das war unübersehbar. Die unmittelbarste Erfahrung waren die Telekommunikation und  und der Straßenverkehr.  Ausgebaute und benutzbare Straßen von Nord nach Süd und von Ost nach West. Die Brücken zum großen Teil problemlos befahrbar. Die Qualität des Straßenbelags auf vielen Streckenabschnitten von fast europäischem Standard.

Wir profitierten sofort von diesem neuen Verkehrsstandard: Für die Fahrt von Gunung Sitoli in das 80 km  entfernte Lahewa an der Nordspitze der Insel brauchten wir nur eineinhalb Stunden mit dem Auto.  Dort in Lahewa waren wir für die nächsten zwei Wochen Gäste im Haus unserer Familie und  es  war dann genug Zeit, sich ein persönliches Bild vom „neuen Nias“ zu machen.

Die kleine Hafenstadt Lahewa  hat eine Reihe attraktiver neuer Schulgebäude vorzuweisen und auch  eine neue katholische Kirche, die erbebensicher auf einer Anhöhe über dem alten Kirchplatz erbaut wurde. Auch eine Bank und eine tadellos funktionierende Pertamina-Tankstelle steht den Einwohnern zur Verfügung.Der Pasar–Lahewa ist wieder aufgebaut mit Ausnahme der ehemaligen Hauptgeschäftstraße zum Hafen. Eine Reihe chinesischer Geschäftsleute hat das Interesse an diesem Stadtteil verloren, weil  der Hafen offensichtlich  nicht mehr die Bedeutung besitzt, die er früher hatte. Die meisten importierten und exportierten Waren kommen inzwischen auf dem Landweg aus dem Hafen von Gunung Sitoli.

Aus dem 80 km entfernten Gunung Sitoli kommen auch jeden Samstag oder Sonntag  Hunderte von jungen Leute auf ihren Motorrädern angebraust, um am Strand von Tureloto (6 km außerhalb von Lahewa ) das Wochenende zu verbringen – einfach so!  Sind das die Anfänge eines einheimischen Tourismus in Nordnias?  Vielleicht ja, und Nordnias hat außer Tureloto noch andere prospektreife „Traumstrände“,  die noch zu erschließen wären.

Dagegen ist der Tourismus in Südnias nach dem Erdbeben noch nicht wieder richtig in Gang gekommen. Der international bekannte Surfspot, „Sorake-Beach“ bekommt nur spärlichen Besuch von den Surf-Cracks aus der internationalen Szene. Der Strand hat etwas von seiner ehemaligen Attraktivität eingebüßt. Das Beben von 2005 hat die Insel ja um etwa zwei Meter angehoben, sodass  man in Sorake-Beach nun nicht mehr direkt vom weißen Sandstrand in die Welle paddeln kann, sondern das Board unterm Arm zunächst über das flache Strandkorallenriff balancieren muss, um im tieferen Wasser in die Surf-Wellen zu gelangen. An Unterkünften stehen nur sehr einfache Losmen zur Verfügung, die den Namen Hotel eigentlich nicht verdienen. Ein vor  15 Jahren errichtetes Viersterne-Hotel ist bis dato noch nicht wieder in Betrieb genommen.

Die eigentliche Attraktion  von Südnias sind ja die herrlich gelegenen Traditionsdörfer auf den nahen Hügeln, in denen bis in die Mitte des vergangenen  Jahrhunderts die Megalith-Kultur noch lebendige Normalität war. Auf Grund dieser Attraktionen glaubt man, dass Nias ein ähnliches touristisches Potential zu bieten hätte wie Bali.  Ich selbst bin da skeptisch. Selbst  wenn  mehr Besucher in die Dörfer kommen  würden, darf bezweifelt werden, ob die Erwartungen der Dorfbewohner erfüllbar sind, die sich vom Besuchstourismus ihren Lebensunterhalt erhoffen.  Viele  junge Südniasser glauben nicht an diese touristische Zukunft und haben ihre Dörfer bereits verlassen, um in den großen Städten Indonesiens ihr  Auskommen zu suchen. Die Problematik der Überbevölkerung ist besonders in Südnias zu erleben, wo es  schon  vor vierzig Jahren das Problem der großen Dörfer war, ihre Leute von den Erträgen der eigenen Felder nicht mehr ernähren zu können.  Und die Bevölkerung wächst weiter: noch immer haben die meisten Familien vier und mehr Kinder.

Auch wenn sich so viel verändert hat: Der Besuch im Großen Haus, dem „Königshaus“ von Bawömataluo war für mich ein biographisches „Real-Dejavu“: Ich dachte für einen Moment, die Zeit sei stehen geblieben. Nichts schien sich verändert zu haben, seit ich dieses Haus vor vierzig Jahren das letzte Mal besucht hatte. Die derzeitigen Hausbesitzer der Si’ulu-Familie Wau, die uns willkommen hießen, waren zu der damaligen Zeit noch Kinder. Aber man erinnerte sich noch an mich.

Um die Dörfer in ihrer jetzigen Form erhalten zu können, brauchte es eigentlich einen großen Kultur-Fonds, der den Bewohnern helfen müsste, ihre Häuser in der alten Adat-Form zu renovieren.  Das ist aber sehr teuer, weil es die dazu notwendigen Hölzer in Nias gar nicht mehr zu bekommen sind. Es gibt in Nias keinen Urwald mehr mit den erforderlichen Baumriesen. Man ist da auf Holz-Importe etwa aus Kalimantan(Borneo) angewiesen. Zum anderen sind z.B. die adligen Hausbesitzer wirtschaftlich nicht mehr in der Lage, einen solchen Hausbau zu finanzieren oder auch die erforderlichen Feste zu bezahlen, die für eine Megalith-Steinsetzung zu veranstalten sind, weil sich die sozial-ökonomischen Strukturen in den Dörfern geändert haben.

Das „Museum Pusaka Nias“ in Gunung  Sitoli

Dem Erhalt und der Dokumentation der allmählich verschwindenden Nias-Kultur ist das „Museum Pusaka Nias“ in Gunung  Sitoli ( http://www.museum-nias.org ) gewidmet, das vom deutsch-stämmigen Kapuziner P. Yohannes Hämmerle 1997 gegründet wurde, und heute für einheimische und fremde Besucher ein echte Attraktion darstellt.  Die Niasser der jüngeren Generation, besonders wenn sie aus den Küstengegenden stammen, kennen ihre eigene Kultur zum Teil nur aus Erzählungen der Älteren. In diesem Museum, in dem neben den Artefakten der niassischen Bildhauerei  auch die charakteristischen Haustypen der verschiedenen Nias-Regionen aufgebaut sind, erleben die jungen Besucher ganz plastisch den Reiz der Kultur,     der sie ihre spezifische niassische Identität verdanken.

Besonders angetan war ich von dem kleinen Tierpark des Museums, in dem speziell in Nias vorkommende Tiere, wie Laosi, Kancil, der Nias-Hirsch, der Nias-Beo, der Nias-Tukan, viele andere Tiere zu sehen waren, denen die jungen Niasser nicht einmal in Büchern begegnen. Sehr eindrucksvoll auch zwei veritable Nias-Krokodile – wahrscheinlich im Unterlauf der großen Flüsse gefangen. Das Museum, ein beeindruckendes Projekt, das alle Kraft und Aufmerksamkeit von P. Yohannes  und seiner 20 Mitarbeiter beansprucht.  P. Yohannes , bald siebzig Jahre alt , macht  sich ein wenig Sorgen , ob das Museum auch ohne ihn und seine Kontakte wird überleben können. Bleiben wir einfach optimistisch. Das Erdbeben von 2005 hatte auch das Museum  schwer beschädigt. Aber heute, durch Spenden der Wiederaufbauhilfe wieder aufgebaut und erweitert, ist es offensichtlich schöner und attraktiver geworden.

Der Entwicklungsschub

Wie schon einmal erwähnt: Das Wiederaufbauprogramm hat einen nicht zu unterschätzenden Entwicklungsschub bis in die Dörfer verursacht. Nicht zu übersehen, überall im Land die neuen Schulgebäude, Sanitätsstationen und einfachen Wohnhäuser. Die verschiedenen Hilfsorganisationen hatten unterschiedliche Konzeptionen für den  Aufbau von neuen Wohnhäusern. Auffällig in den Dörfern vor allem in Nordnias die neuen  Häuser mit bunten Seitenwänden, deren spezielle Qualität sich erst beim genaueren Hinsehen erschloss: Eine Rahmenkonstruktion aus verzinktem Stahl, die auf unterschiedlichstem Untergrund errichtet werden kann. Sie ist erdbebensicher und kann im Bedarfsfall auseinander geschraubt und an anderer Stelle  wieder aufgebaut werden. Das kanadische Rote Kreuz hatte sich in seinem Hilfsprogramm für diese zweifellos teurere, aber sicher nachhaltigere Häuser-Variante entschieden, deren Vorteil von den Leuten sehr schnell erkannt wurde.“ Rumah Canada“ ist ein Schnäppchen!

Zweifellos – der Wiederaufbau hat Geld unter die Leute gebracht – vom Verwaltungsbeamten bis zum Hilfsarbeiter beim Straßenbau.  Eine neue Betriebsamkeit hat die Insel erfasst. Zehnausende von Motorrädern Typ Honda Cup (100 ccm)  scheinen ständig unterwegs zu sein, um irgendjemand oder irgendetwas von hier nach da zu transportieren. Für uns auffällig, für die Leute aber alltäglich: nicht nur junge und alte Männer sind die Fahrzeuglenker – Frauen, Mädchen mit und ohne Jilbab-Kopftuch steuern ihre Honda  mit größter Selbstverständlichkeit zum Einkauf oder zum Verwandtenbesuch ins nächste Dorf.  Die Hondas, wie Motorräder in Nias einfach genannt werden, haben das Fahrrad abgelöst und sind die derzeit angesagten Transportesel. Atemberaubend, was man mit ihnen alles transportieren kann. Das ist zwar alles nicht von TÜV und Straßenverkehrsordnung genehmigt, aber die Polizei verhält sich sehr pragmatisch und greift vor allem ein, wenn es zu Unfällen kommt, oder die Polizei Geld braucht. Das ist allerdings häufiger der Fall als den meisten Verkehrsteilnehmern lieb ist. Sowohl die Häufigkeit von Unfällen, als auch die Geldnöte der Polizeibeamten.

Der Anteil der PKWs ist noch relativ gering – der Kaufpreis dafür ist für die meisten Leute unerschwinglich hoch. Eine Honda Cup in indonesischer Ausführung  kostet etwa 12 Mio Rupiah(€ 1.000,-).  Das scheint über monatliche Ratenkredite irgendwie finanzierbar zu sein.  Für einen Toyota Innova, die indonesische Minivan-Variante von Toyota, muss man schon über andere Einkünfte verfügen, um sich das Auto leisten zu können.

Aber im Bereich der Finanzen ist einiges geschehen. Nicht nur dass es Filialen der indonesischen Banken in allen Kreisstädten gibt, auch hat sich vielerorts inzwischen das System der CU (Credit Unions), der Kreditgenossenschaften etabliert. Propagiert und garantiert vor allem durch die katholischen Pfarreien. Die CU–Lahewa z.B., deren veröffentlichte Bilanz 2009 ich einsehen konnte, hatte mit ca. 2800 Kreditgenossen ein Kreditvolumen von 4,5 Mrd Rupiah (= € 375.000,-) eine gewaltige Summe für niassische Verhältnisse. Aber diese Kredit-Genossenschaften ermöglichen  ihren Mitgliedern die Finanzierung von Projekten, zu denen sie alleine nicht in der Lage wären.

Für die Arbeiten beim Wiederaufbau wurde vom BRR sowie den nationalen und internationalen Organisationen qualifiziertes Personal in Technik und Verwaltung benötigt, das man damals ja in Nias nicht vorfand, sondern erst anwerben oder ausbilden musste. Mit dem Erfolg, dass es inzwischen eine respektable Anzahl an ausgebildeten Leuten gibt, die jetzt in Nias dringend gebraucht werden, um den technischen Standard für ein modernes Nias zu halten. Sie haben aber das Problem, dass die Regierung ihnen sehr viel weniger Gehalt zahlen kann, als sie es in den vergangenen Jahren von der BRR gewohnt waren. Diese jungen Spezialisten haben in Nias nicht viele berufliche Alternativen, aber ihre Abwanderung  wäre für Nias ein herber Verlust.

Vorhersehbare Probleme

Dass dieser gewaltige Entwicklungsschub nicht nur Vorteile, sondern auch Probleme bringen würde, war abzusehen.  Das Wiederaufbauprogramm hat einigen Leuten einen Wohlstand beschert, der wohl nur mit Korruptionsverdacht erklärbar scheint. Gar mancher der allzu leichtsinnigen Profiteure verbringt einige Zeit seines Lebens im Gefängnis, nachdem seine Konkurrenten dem Gericht genügend belastendes Material liefern konnten und genügend Geld hatten, es dem Richter vorlegen zu dürfen. In der traditionellen niassischen Ethik wird derjenige hochgeschätzt, der „onekhe“ ist, der schlau genug ist, am Ende Sieger zu bleiben, egal wie. Also wird mit harten Bandagen gefochten. Das soziale Auf und Ab ist brisanter geworden.

Das ehedem ruhige, oft fast lethargische Inselleben ist hektischer geworden. Der Bedarf an elektrischem Strom ist enorm gestiegen.Beleuchtung,Fernseher, Kühlschränke, AC, PC und vor allem Handys benötigen mehr Strom, als die staatliche Stromversorgung PLN bereitstellen kann. Immer wieder bricht unvermittelt das Netz zusammen und niemand kann sagen, wann alles wieder funktionieren wird. Vielleicht bekommt durch diesen Mißstand eine dezentrale alternative Energieerzeugung   die dringend gebotene Chance. Solange aber die subventionierten  Benzinpreise so billig sind, wirft man lieber  den eigenen Strom-Generator hinter  dem Haus  an. Der knattert und stinkt, ist aber derzeit noch kostengünstiger, als etwa eine leistungsfähige Solaranlage.

Die besseren Straßenverhältnisse mit dem zunehmenden  und schnelleren Verkehr verursachen  eine Zahl von Verkehrsunfällen mit oft tödlichem Ausgang, die es so eben früher nicht gab.  Aber das ist die unmittelbare Kehrseite der angestoßenen Entwicklung. Die Niasser nehmen diese Schattenseite wahr und beklagen sie, aber sie trauern auf keinen Fall den alten Zeiten nach. Dafür besteht auch kein Nostalgiebedarf – das „alte Nias“ am Rande des Indischen Ozeans, isoliert  und von der Welt vergessen – , war wirklich kein Paradies, das nun gerade verloren geht, sondern es war eine Kultur, die sozial-ökonomisch an ihren Überlebens-Limit gekommen war. Heute aber besteht die drängende Frage, ob das „neue Nias“ den Level halten kann, der durch das Wiederaufbauprogramm vorgegeben wurde. Man wird sehen, was die nächsten Jahre bringen. Anfang 2010 jedenfalls war für Pessimismus kein Anlass.

K.Sturm, 2. April 2010 –

Einen ausführlicheren Bericht dieser Reise hier

2010 – Eschweiler-Nias und zurück

Hier der Bericht über einen füheren Besuch in Nias in 2006 – ein Jahr nach dem Erdbeben 2005 :

2006  – Eschweiler – Nias und zurück 

Ein Reisebericht von Klaus Sturm

März 2006 ………wir sind schon über eine Woche zurück aus Indonesien. Bevor die Eindrücke allmählich beginnen zu verblassen, wird es Zeit, ein wenig von unserer langen Reise zu erzählen. In den vergangenen Tagen waren wir in Gedanken noch mehr in Indonesien als hier…die Seele geht ja bekanntlich zu Fuß… inzwischen aber hat die kleine Nati ihre Oma/Opa selbstverständlich sofort in Anspruch genommen und uns mental wieder nach Deutschland geholt. Fünf Wochen zuvor konnten wir nicht schnell genug nach Indonesien kommen…

Anreise

Nach einem guten Flug ab Frankfurt mit einem  Airbus von Qatar- Airways landeten wir am Sonntag,        5. Februar um 12.00 Ortszeit in Kuala Lumpur. Die Fluglinie Qatar Airways kann man nur empfehlen: Neue Airbusse, prima Service! Nicht empfehlenswert der Heimatflughafen Doha, der mit dem Passagier-aufkommen derzeitig heftig überfordert ist. Vier Stunden Zwischenstopp um Mitternacht – eine Zumutung: Zu wenig Sitzplätze im Transitbereich, dazu noch zu wenige Toiletten. Dagegen zu viele flugwillige Wüstensöhne mit ihren von Kopf bis Fuß schwarz verschleierten Ehefrauen im Schlepptau… so bitte doch nicht, aber mach mal was!

Dagegen der neue Flughafen von Kuala Lumpur ein architektonisches Schmuckstück, weitläufig, großzügig für den Flugverkehr der Zukunft ausgelegt. Da ließen sich sechs Stunden Warten auf den Anschlussflug schon eher aushalten. Abends um 18.00 Uhr dann der einstündige Weiterflug nach Medan / Sumatra. Raus aus dem klimatisierten Flughafengebäude und rein in das 30° schwülheiße Tropenklima der Großstadt Medan. Willkommen in Indonesien….. aber eigentlich wussten wir ja, was uns erwartete.

Im Hotel „Ibunda“, einem kleinen Hotel in der Innenstadt, trafen wir uns dann mit Ama Rini, Yunis jüngerem Bruder, der extra aus Nias angereist war, um uns abzuholen. Gekommen waren auch Nichte Rini (23) und Neffe Tian (21), beide Studenten, sowie unsere Freunde Ama und Ina Dewi. Große Wiedersehensfreude, gemeinsames Abendessen und Besprechung der Weiterreise nach Nias. Nach einer vom Jetlag gestörten Nachtruhe dann am Montag, Erledigungen und Einkäufe für Nias in der City von Medan. Die Stadt boomt. Es wird überall gebaut und der Verkehr brodelt bis in die späte Nacht. Erst gegen 2.00 bis 3.00 Uhr kommt die City etwas zur Ruhe. Damit ist es dann gegen 4.30 Uhr vorbei, wenn die Muezzins aus allen Lautsprechern der unzähligen Moscheen ihr ‚Allahu akbar’ (Gott ist groß) in den neuen Morgen plärren. Der Aufruf zur Gottesverehrung als kakophonisch multilateraler Angriff auf das kommunale Trommelfell….der Prophet Mohammed hatte sicher noch keine Ahnung von der Leistungs-fähigkeit elektronischer Musikverstärker! Er hätte sicher eine Extrasure für den Sangeswettstreit konkurrierender Muezzins verfasst…

Der erste Tag in Indonesien provozierte bei mir auch gleich den ersten Einsatz des bewährten „Kampfmittels“ Immodium: Obwohl ich auf den Genuss von kaltem Bier wohlweislich verzichtet hatte, reagierte mein Darm mit einer eintägigen Protestdiarrhö gegen die ungewohnten Verhältnisse. Ich wusste, dass das irgendwann passieren würde, aber gleich am ersten Tag, das war doch überraschend.

Am Dienstagmorgen dann die Abfahrt nach Sibolga an die Westküste. Wegen des vielen Gepäcks hatten wir auf einen Flug verzichtet und einen Kleinbus gemietet, der uns alle – d.h. uns beide, Ama Rini, Rini und Tian – zusammen verfrachten konnte – Acht Stunden Autofahrt 300 km quer durch Sumatra bei strahlend schönem Wetter vorbei an dem großen Kratersee des Toba. Obwohl ich die Strecke schon so viel Male zurückgelegt habe, bin ich immer wieder fasziniert von der wilden Schönheit Nordsumatras und seiner bunten Dörfer und Städte. Der Autoverkehr ist stark angewachsen, und die schmale Überland-strasse – noch in holländischer Kolonialzeit für damalige Bedürfnisse projektiert – ist inzwischen gefährlich überlastet. Indonesische Autolenker steuern ihre Fahrzeuge mit atemberaubender Kühnheit, und manchmal klappt’s dann doch nicht mehr… schwere Unfälle häufen sich, obwohl die ‚Polisi’ protokollträchtig auf Helm und Anschnallpflicht kontrolliert.

Gegen 18.00 Abends waren wir dann im Hafen von Sibolga. Hunderte von Passagieren mit Bergen von Gepäck machen sich bereit für die Überfahrt nach Nias. Plätze auf der Fähre hatte Ama Rini schon reservieren lassen. Er ist ein praktischer Organisator, der überall seine Leute hat, sodass wir uns überhaupt nicht um das Reisemanagement kümmern mussten. Nachdem noch einige LKW im Bauch der Fähre vertäut waren, legte das Schiff gegen 20.00 Uhr ab.

Yuni und ich hatten ein Spezialarrangement: die gegen Aufpreis vermietete Kajüte des 1. Steuermanns mit zwei Betten und  ein Ventilator, der auch dringend gebraucht wurde gegen die Stauhitze….wir schliefen mit Venti-Kühlung einigermaßen gut und erwachten aber am frühen Morgen mit einer gemeinsamen Erkältung, deren Hustenkatharr mich noch eine Woche in Nias verfolgte. Yuni wurde eigentlich die ganze Reise von ihm geplagt und hat noch ein wenig davon mit nach Deutschland gebracht.

Nias – Gunung Sitoli

Nias präsentierte sich am Mittwoch gegen 6.00 Uhr früh trüb und regenverhangen. Die Leute sagten uns, es wäre die Wochen vorher sehr heiß und trocken gewesen, und der Regen hätte endlich eine will-kommene Abkühlung gebracht. Wir fanden das als Willkommensgruß nicht so toll…

Auch in Gunung Sitoli hatte Ama Rini schon für einen Kleinbus gesorgt, der uns am Hafen abholte. Auf der Fahrt zum Haus von Yunis Cousin konnten wir schon ein wenig von dem sehen, was von der Stadt nach dem Erdbeben übrig war: Viele von Trümmern geräumte Flächen an den Hauptstraßen, an denen sich früher zwei und dreistöckige Geschäftshäuser der chinesischen Geschäftsleute aneinander reihten. Dazwischen auch Bauten, die das Beben offensichtlich überstanden hatten, und hier und dort Zeltquartiere von Obdachlosen, die sich weiterhin durch die öffentliche Hilfe versorgen lassen und diesen Status auch nicht so schnell aufgeben wollen – ein Problem spezieller Art.

Die Stadt soll beim Wiederaufbau nach den Plänen der Regierung ein neues Zentrum bekommen. Davon war allerdings noch nichts zu sehen. Jedoch waren überall provisorische Verkaufsstände errichtet, und die Straßen voller Menschen und Verkehr. Das Leben hat sich weitgehend auf einem neuen Level eingespielt.

Wir wollten an diesem Tag noch bis Lahewa, Yunis Heimat, durchkommen, blieben deshalb nur zu einem kurzen Besuch bei Yunis Cousin Ama Agus und starteten gegen 10.00 Uhr endlich in Richtung Nordnias. Die Strasse war etwa 20 km weit für Autos einigermaßen gut befahrbar. Danach ging es die nächsten   60 km bis Lahewa mit gelegentlicher Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h weiter. Erwähnenswert besonders der Zustand der vor Monaten vom Militär errichteten Behelfsbrücken, die in Deutschland samt und sonders für jeglichen Verkehr polizeilich gesperrt würden. Die Chauffeure befahren diese gefähr-lichen Wege täglich mit bewundernswertem Geschick und Gleichmut. Erstaunlich, was Mensch und Maschinen alles ertragen. Für die letzten 6 km zwischen Lafau und Lahewa hätte die Straßen-verkehrsbehörde täglich eine Tracht Prügel verdient, solange sie nicht in der Lage ist, 10 Lastwagen Steine/ Kies in die knietiefen Löcher dieser Provinzstraße zu kippen. Von den allmählich nicht mehr befahrbaren Behelfsbrücken ganz zu schweigen.

Nias – Lahewa

Gegen 13.00 Uhr war Lahewa dann endlich erreicht. Seit 1999 waren wir nicht mehr hier. Große Freude und viele Tränen beim Wiedersehen mit Yunis Familie in Lahewa. Alles war vorbereitet für unser Kommen. Wir staunten: Ama Rini hatte das Elternhaus, das er jetzt mit seiner Familie bewohnt, soweit wieder aufgebaut, dass wir als Gäste gut untergebracht werden konnten. Drei Wochen vor unserer Ankunft war der Wiederaufbau so weit fertig gestellt, dass die Familie wieder im Haus übernachtete, was sie seit Ende März 2005 aus traumatischer Angst vor nächtlichem Erdbeben nicht mehr getan hatte. Unser bevor-stehender Besuch hatte diesen Schritt in die Normalität provoziert.

Yunis Schwester- Ina Risna – hatte sich extra eine Woche Urlaub genommen. Sie ist Oberschwester an der örtlichen Poliklinik. Ihr Haus war schon etwas länger wieder aufgebaut. Mit der Einweihung, die in der folgenden Woche stattfinden sollte, hatte man extra auf uns gewartet. Wir hatten uns gefreut, endlich ihre jüngste Tochter, die kleine 5-jährige Yesti, zu sehen, die wir noch nicht kannten. Yesti kannte uns nur von Fotos und ließ sich jetzt auch Zeit mit der Annäherung. Erst nach einer Woche war sie bereit, uns als selbstverständliche Familienmitglieder zu akzeptieren.

Der erste Abend wurde sehr lang. Es gab so viel zu erzählen und zu berichten. Wir hatten Fotos von der kleinen Nati und unseren Kindern dabei, deren Grüße wir übermittelten, ( man hatte gehofft, dass sie auch mitgekommen wären.. usw. )

Aber zwei Themen waren von besonderer Bedeutung: Das Erdbeben und der plötzliche Tod des Bruders Ama Fati, der am 13. Dezember 2005 in Kalimantan gänzlich unerwartet an einem Herzversagen gestorben war. Zu seiner Beerdigung drei Tage später in Yogyakarta (Jawa) konnten die Geschwister Ama Rini und Ina Risna gerade noch rechtzeitig anreisen. Eigentlich wollten sich alle vier Geschwister – einschließlich Ama Fati – nach den Ereignissen des Erdbebens in der Heimat Lahewa treffen, um gemeinsam das Grab der Eltern zu besuchen. Das war so im Oktober 2005 noch mit Ama Fati abgesprochen. Nun musste für ihn selbst ein Totengedenken (Doa syukuran) in seiner Heimat Lahewa festgesetzt werden. Es sollte am folgenden Samstag, dem 11. Februar gehalten werden. Etwa 200 Gäste folgten der Einladung, für die nach der Adat (überliefertem Recht) drei Schweine geschlachtet/geopfert wurden. Das war die Familie dem Ansehen und Rang des ältesten Bruders schuldig. Für die Geschwister eine selbstverständliche Geste dem toten Bruder gegenüber.

Das erlebte Erdbeben kam in den zwei Wochen unseres Besuchs bei allen möglichen Gelegenheiten zur Sprache, besonders dann, wenn plötzlich eines der kurzen Nachbeben zu spüren war. Das passierte mehrere Male. Aber man nahm das bisschen Zittern gar nicht mehr ernst, lachte und erzählte dann von jener furchtbaren Nacht des 28. März 2005, in der die Erde so stark schwankte und bebte, dass sich während der Erdstösse niemand mehr auf den Beinen halten konnte, und mit einem gewaltigen vertikalen Ruck die mehrstöckigen Häuser zum Einsturz kamen. Das Beben erreichte in jener Nacht die Stärke von 8,7 R. Drei Tage wollte sich die bebende Erde danach nicht beruhigen.

Auch wenn dann abends die Stromversorgung wieder einmal für Minuten oder mehrere Stunden zusammenbrach, dann erinnerte man sich der plötzlichen Dunkelheit der Erdbebennacht, in der man beim Schein von Taschenlampen versuchte, Angehörige zu finden oder Verschütteten und Verwundeten zu helfen, immer in der Angst vor einer drohenden Tsunami.

Und diese Angst war begründet: das Meer hatte sich weit vom Strand zurückgezogen und eine zurück-kommende Flutwelle war zu erwarten. Die kam Gott sei Dank aber nicht. Was man erst später ungläubig feststellen konnte: das Seebeben hatte den Norden der Insel Nias um ca. 2 Meter angehoben, was zum Zurückweichen des Meeres geführt hatte. Ich habe an mehreren Tagen die Nord- und Weststrände von Nordnias besucht und diese neuen Strandlinien fotografiert. Besonders folgenreich war der angehobee Meeresboden für den Hafen von Lahewa: Der gerade neu fertiggestellte Pier ist eingestürzt, und die Schiffe müssen wegen der zu geringen Wassertiefe weit draußen ankern. Die Ladung muss mit kleinen Booten geleichtert werden – ein umständliches und die Preise der Waren verteuerndes Unternehmen. Der Neubau des Kais soll noch dieses Jahr erfolgen….

In den Tagen unseres Besuchs trafen wir immer wieder Freunde und Bekannte, die durch das Erdbeben nicht nur Hab und Gut, sondern auch Angehörige verloren hatten. Über 40 Tote hatte Lahewa zu beklagen. Und die Überlebenden hatten unglaubliche Geschichten ihrer Rettung zu erzählen, wie Ina Erna, Geschäftsführerin der Palmölfabrik am Hafen, die kopfschüttelnd erzählte, wie sie durch einen Geldtresor gerettet wurde, der die fallende Betondecke aufgehalten hatte. Sie wollte während des Erdbebens den Tresorschlüssel in Sicherheit bringen, für den sie verantwortlich war. Wäre sie in ihrem Zimmer geblieben, so wäre sie wahrscheinlich tot, wie die anderen drei Hausangestellten, die von der einstürzenden Decke erschlagen wurden.

Wayin, ein alter Freund von uns, verdankt sein Leben zwei Kühlschränken, die die einstürzende Betondecke aufgehalten hatten, und seinem Bruder, der ihn nach Stunden mit Hammer und Meißel aus den Betontrümmern befreien konnte. Vater und Mutter starben im Schlafraum nebenan. Die Schwester starb Wochen später an Tetanus, den sie sich durch eine Schnittwunde an der Hand zugezogen hatte.

Ein sechs Monate altes Baby, dessen Eltern und Geschwister von den einstürzenden Mauern erschlagen wurden, überlebte drei Tage in einer Trümmerlücke, ehe man es aufspürte und ins Krankenhaus nach Medan ausflog. Das Kind lebt heute gesund im Dorf der Großeneltern einige Kilometer außerhalb von Lahewa.

Diese und ähnliche Geschichten sind präsent, auch fast ein Jahr nach der Katastrophe. Beeindruckend und berührend mit welcher Kraft und Zuversicht viele Leute mit ihrem wahrlich nicht leichten Schicksal umgehen. Leben und Tod sind ganz nah beieinander. Gott der Herr des Schicksals und muss wissen, was er tut, so die Überzeugung der Menschen. Fast ein Jahr danach sind die Tränen getrocknet und man hofft auf die sich ereignende Zukunft.

Nias – Lahewa im Februar 2006

Die Aufbauarbeit der Hilfsorganisationen (NGO) zeigt Wirkung.

  • Lahewa hat wieder fließendes Wasser aus der Wasserleitung. OXFAM, eine australische Hilfsorganisation, hatte schon die Wasserversorgung wieder in Ordnung gebracht. – Die meisten Haushalte sind wieder an die elektr. Stromversorgung angeschlossen. – Ein Mobilfunkanbieter hat den Ortsbereich an das Netz angeschlossen, und man kann per Handy mit dem indonesischen Inland telefonieren.
  • Nias ist in den letzten Jahren vom Fahrrad auf Honda umgestiegen. Groß und Klein, mit und ohne Führerschein fährt Motorrad. Ein Volk von Querfeldein–Fahrkünstlern bewältigt unsägliche Wegbedingungen, die ganze Familie im Huckepack, wenn nötig. Es gibt auch professionelle Motorradtaxifahrer, die im Volksmund RBT genannt werden (Rakyat Banting Tulang = Volk hält die Knochen hin) Sie sind die absoluten Honda-Cowboys und fahren dich überallhin, vorausgesetzt der Preis stimmt. Auch Schwager Ama Rini mit mir auf dem Rücksitz zeigte auf einer Fahrt nach G.Sitoli in zwei Stunden, wozu er und seine neun Jahre alte 250 ccm Honda im Stande sind. Ein Bravourritt über Stock und Stein. Ich erwies mich als einfühlsamer Copilot und wurde dafür ausdrücklich gelobt.
  • Der Besuch in Gunung Sitoli verstärkte in mir den Eindruck, dass der Wiederaufbau in Bewegung kommt. Im Stadtgebiet war eine moderne Straßenbelag–Maschine dabei, die Straßen mit belastungsfähigem „Hotmix“- Asphalt zu versehen.
  • Die Arbeit von ca 60 Hilfsorganisationen zeigt Wirkung, auch wenn man bei näherem Hinsehen wahrscheinlich einiges zu kritisieren hätte. Aber über ihre Projekte kommt auf vielen Ebenen Kapital und Arbeit in den kleinen Wirtschaftskreislauf und erzeugt das Gefühl eines einsetzenden Aufschwungs. Damit sind natürlich die allgemeine Unterentwicklung, die Armut und das Problem der Überbevölkerung nicht über Nacht zu lösen. Aber psychologisch wichtig ist ja auch das Gefühl, dass sich etwas tut.

Die neue Regierung des wiedergewählten Bupati Binahati Baeha – aus der Pfarrei Lahewa stammend – wird sich an diesen Erwartungen messen lassen müssen. Im Wahlkampf, den wir direkt miterlebten, wurde wie überall in Wahlkämpfen, Gewaltiges versprochen. Den Beweis, dass man zu einer soliden Wiederaufbauarbeit fähig ist, ist die entsprechende Behörde BRR bis jetzt noch schuldig geblieben. Bei aller Skepsis bleibt doch nur die Hoffnung, dass in 2006 endlich die Regierungsprojekte zu greifen beginnen.*)

Für Lahewa waren bis jetzt nur Erfolge der NGOs erkennbar und belegbar:

  • Das Holzhausbauprogramm der französischen Hilfsorganisation ACTED, mit dem Hunderte von zerstörten Häusern ersetzt werden sollen, ist in vollem Gange. Überall sind die neuen ACTED- Häuser zu sehen. Pro Haus werden ca. € 2.500,- verbraucht. Das bringt Arbeit und Geld unter die Leute.
  • Das evangelische Hilfswerk LAZARUS baut in Lahewa die staatliche Mittelschule und ein katholisches Jungeninternat.. Ein deutscher Ingenieur führt die Bauaufsicht. Die Projekte werden in wenigen Wochen fertiggestellt sein. Weitere Projekte sind in anderen Teilen von Nias in Arbeit.
  • Die katholische Grundschule SD DAYA BARU, 1971 von mir gegründet, wird neu gebaut. Über der Zufahrt zur Baustelle hängt ein Spanntuch: AKTION DEUTSCHLAND HILFT….. Mein Nationalgefühl gönnt sich eine stolze Freudeminute. Sponsoren aus Südtirol und Deutschland haben die Finanzierung übernommen. Das alte Schulgebäude von 1973 war zu schwer beschädigt, um noch weiter benutzt zu werden. Schade um die schöne Schule, in die ich vor 30 Jahren viel Arbeit und Herzblut investiert hatte. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass die neue Schule viel moderner und schöner werden wird. Zurzeit werden die 180 Kinder in einem mit Palmblättern überdachten Provisorium unterrichtet, das hoffentlich bald beendet sein wird. **)
  • Kindern dieser Schule kommt auch der Erlös einer besonderen Spendenaktion über ca. € 2000,- aus Aachen zugute: Die indonesischen Studenten der TH Aachen hatten zusammen mit der Kath. Hochschulgemeinde (KHG) kurz vor Weihnachten 2005 einen wunderbaren Kulturabend veranstaltet, dessen Erfolg ausschließlich Schulkindern zukommen sollte, deren Unterrichtsbesuch situationsbedingt besonders gefährdet war – eine sehr präzis plazierte Hilfsaktion, die auf ganz konkreten Bedarf gerichtet war.
  • Über den Neubau der zerstörten kath. Pfarrkirche St. Fidelis ist sich die Gemeinde noch nicht mit dem Bischofsvertreter P. Barnabas einig. Die Gemeinde hätte die Kirche gern auf einer Anhöhe erbaut. Die Diözese macht Kostenprobleme geltend und will auf den alten Fundamenten wieder aufbauen. Ich habe mich bei P. Barnabas für die Kirche auf dem Berg eingesetzt, weil das auch der Plan war, der vor 30 Jahren schon hätte realisiert werden sollen. Man wird hören, was sich ergibt. Inzwischen wird der Gottesdienst in einer mit Palmblättern gedeckten Notkirche gehalten. Der Raum ist von der Gemeinde ansprechend hergerichtet, und wir erlebten an zwei Sonntagen ein volles Haus und sehr schöne Gottesdienste. Die Gemeinde ist groß geworden und hat inzwischen ein engagiertes Vorstandsgremium von Leuten, die ich noch als Kinder kannte. Vorsitzender: Ama Rini , ohne den scheinbar nichts läuft. ***)

Hauptberuflich ist Ama Rini ja Schulleiter der staatl. Grundschule von Lahewa.-Zentrum – übrigens auch der Chef seiner Frau, die an derselben Schule unterrichtet. Seine Schule, auch zum größeren Teil zerstört, hat ca 400 Kinder mit Unterricht zu versorgen. Ein Teil seiner Schüler wird noch unter den allmählich verrottenden UNICEF- Zelten unterrichtet. Und man hofft sehnlich auf den fälligen Neubau. Aber das Staatliche Wiederaufbauprogramm lässt auf sich warten, obwohl überall zu lesen ist, dass die Projektgelder bereit stünden.Man scheint sich in den zuständigen Gremien wohl noch nicht einig zu sein, wie viel man ohne Korruptionsvorwurf in der eigenen Tasche verschwinden lassen kann. Es ist viel Geld für den Wiederaufbau versprochen, und da ist mit Begehrlichkeiten und Beschaffungstricks natürlich zu rechnen. Der Kampf der politischen Klasse für ein zukünftiges Nias, ist auch ein Kampf um die eigene persönliche ökonomische Zukunft – mit dem Rücken zur Wand, den Blick aber immer fest auf den Geldschrank gerichtet….man hat auch kaum eine andere Wahl als Regierungsbeamter mit den lächerlichen legalen Einkünften…(z.B. Grundschullehrer verdienen monatlich ca. € 120,–)

Fazit zur Zeit unseres Besuchs Februar 2006: Ohne die Arbeit der privaten und kirchlichen Hilfs-organisationen brauchte man von Wiederaufbau gar nicht zu sprechen. Das ist Fakt. Für Yuni und mich gingen die intensiven Tage im Kreis der Familie und Freunde in Lahewa zu Ende. Für Dienstag, den 21. Februar waren Tickets für den Nachmittags-Flug von Nias nach Medan geordert, und es galt Abschied zu nehmen. Ama Rini, Ina Risna und zwei Cousins begleiteten uns noch bis zum Flughafen Bhinaka, ca. 20 km südlich von Gunung Sitoli. Uns wurde noch einmal aufgetragen, den Dank und die Grüße der Familie in Nias an unsere Familien in Deutschland zu überbringen und allen für ihre großherzige Hilfe zu danken.

Java – Yogya

Nach Flug und Übernachtung in Medan der Weiterflug über Jakarta nach Yogyakarta in Zentraljava, um uns mit der Familie von Yunis verstorbenem Bruder Ama Fati zu treffen und sein Grab zu besuchen. Ein Besuch, der doch sehr zu Herzen ging. Ama Fati war im Dezember 2005 unerwartet an einem Schlaganfall verstorben. Seine Frau, Ina Fati muss mit ihren 4 Kindern alleine zu Recht kommen. Fati (25) als Sängerin mit ihrer Band viel unterwegs, sorgt schon einige Zeit für sich selbst. Rani (23) steht vor dem Ende ihres Psychologie-Studiums. Dita (20) hat gerade mit dem Studium der Betriebswirtschaft begonnen und der „kleine“ Bruder Willi (mit 16 schon 1,75 m groß) besucht die SMA, die gymnasiale Oberstufe. Sie alle tragen ihr Schicksal sehr tapfer und lassen sich von der Trauer nichts anmerken. Wir hatten uns 2001 zum letzten Mal gesehen und die Wiedersehensfreude in dieser besonderen Situation war besonders tröstend für uns alle. Ina Fati ließ uns spüren, wie gut ihr unser Besuch tat.

Besonders freute sich auch Heri, Ama Rinis zweitältester Sohn, der von knapp einem Jahr von seinem Onkel Ama Fati zum Architekturstudium von Nias nach Yogya geholt worden war. Nach dem uner-warteten Tod des Onkels fürchtete er ein um seine Studienzukunft. Er ist ein guter Student, und unser Besuch mit den Grüßen des Vaters aus Nias machte ihm Mut zum Weiterstudium. Außerdem ist er für Wili ein ganz wichtiger großer Bruder geworden.

Fati hatte eine Straßenecke weiter in dem kleinen, blitzsauberen Hotel KUSUMA ein Zimmer gebucht, das bequem zu Fuß zu erreichen war. Die folgenden zwei Tage vergingen wie im Flug. Da war der gemeinsame Besuch am Grab von Ama Fati auf dem christlichen Friedhof von Yogya, ein Dankesbesuch bei einer befreundeten Niasfamilie, die sich sehr um die Regelung von Ama Fatis Beerdigung gekümmert hatte, „Inspektion“ von Heris Studentenquartier am südlichen Ende der Stadt… Es waren so viele Dinge zu besprechen, von Nias und Deutschland zu berichten. Gespräche mit den Mädchen über persönliche Zukunftspläne, Einkäufe von Batik -Textilien in den einschlägigen Geschäften, eine Spezialität von Rani und Fati. Zum Abschluss noch ein gemeinsames Essen in einem echt javanischen Restaurant mit exzellenter javanischer Küche… im Rückblick wie ein Film im Zeitraffer.

Java – Surabaya

Aber der Flug nach Surabaya für Samstag, 25. Februar war gebucht. Nach herzlichem Abschied von Ina Fati und den Kindern, ein kurzer Flug und wir fanden uns im Airport von Surabaya wieder, wo uns Khae und Lian, unsere alten Freunde aus Aachener Zeiten (1978 ff) erwarteten und uns zu ihrem Haus brachten., wo genügend Kinderzimmer als Gästezimmer frei waren. Ihre drei Kinder inzwischen schon alle aus dem Haus, zwei in Sydney und eines in Vancouver/ Kanada.

Lians Geschwister, drei Brüder, alle mit Studienabschlüssen der TH Aachen, inzwischen sehr erfolgreiche Geschäftsleute, verwöhnten uns in den folgenden Tagen mit Einladungen in die Insiderrestaurants der Kenner chinesischer Küche. Dazwischen ein Tag in der ‚Vila Hebron’, dem Ferienhaus der Familie in Trawas, einer Art Kurort im kühlen Bergland, westlich von Surabaya. Wir waren vier Tage glückliche Gäste der Großfamilie Ludong. Das Leben kann so schön sein im Kreise von Freunden…

Malaysia – Langkawi

Unser Visum für Indonesien lief ab. Die Rückreise in Etappen begann am 1. März mit dem Flug von Surabaya über Kualalumpur nach Langkawi in Nordmalaysia. Die acht Tage in einem einfachen Chalet am Tropenstrand der Ferieninsel waren gut zum Abspannen nach den vielen intensiven Besuchstagen bei Familie und Freunden. Chillout total an einem Bilderbuchstrand…..wenn es denn über Tag nicht so sonnenheiß gewesen wäre. Sonnenbrand muss ja nicht sein. Das 28° warme Meer war zum Abkühlen nicht geeignet. Trotzdem sind wir reichlich geschwommen und haben unsere Spaziergänge auf den kühleren Abend verlegt.

Unsere Bereitschaft zur Rückkehr nach Deutschland wuchs, als eine nicht näher bekannte Sorte von Sandflöhen Yunis süßes Blut entdeckten und sich über sie hermachten… Und Juckreiz ist bekanntlich weniger erfreulich als Liebreiz. Jedenfalls trotz Kenntnis des zu erwartenden Wetters (sprich: Kälte) in Deutschland, traten wir bereitwillig am Freitag Mittag unseren Rückflug an und waren nach zwei Zwischenstopps im schönen Kualalumpur und im langweiligen Doha nach 31 Stunden am Samstag-morgen dem 11.März 6.30 Uhr wieder in Frankfurt, packten uns fröstelnd in die mitgeschleppten Winterjacken, bestiegen einen ICE und wurden zwei Stunden später von Christof und Julia am Bahnhof Eschweiler abgeholt.

Ein paar Stunden später sorgte Klein-Nati dafür, dass Oma und Opa sich nicht nur in Reiseerinnerungen verloren, sondern sehr glücklich und besorgt die ersten Gehversuche ihrer Enkelin bewunderten. Das hatten wir doch fünf Wochen vermisst…!

Aus Eschweiler grüßen Klaus & Yuni

Fotos zu Nias 2006

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Nachtrag März 2007:

*) Inzwischen gibt es gute Nachrichten aus Nias über den Wiederaufbau. Der staatlich koordinierte Wohnungsaufbau ist überall angelaufen. Schulen und Polikliniken sind im Bau. Der Bau-Boom hat die Baumaterialien sehr verteuert, und die Bauaufsicht hat alle Hände voll zu tun, um die Einhaltung der Projektauflagen zu kontrollieren.
Der Strassen- und Brückenbau kommt gut voran – so „gut“, dass der schneller gewordene Autoverkehr vermehrt zu schweren Unfällen führt, die früher eher selten waren. In zwei Jahren 2009 soll der Aufbau der Infrastrukturvorhaben beendet sein, für die dann die stattliche Summe von ca. € 1 Mrd. verbraucht sein wird. 

**) Der Neubau der SD DAYA BARU ist fertiggestellt, und seit Februar 2006 werden die Kinder in ihrem neuen Schulgebäude unterrichtet.
***) Mit dem Kirchenneubau wurde Mitte 2006 begonnen. Die Kirche wird auf der von der Gemeinde favorisierten Anhöhe errichtet, und den Gemeindemitgliedern werden viele Tage und Stunden Gemeinschaftsarbeit abverlangt. Man will bis zum September 2007 fertig sein 

Nias und Deutschland – eine sehr besondere Beziehung


Vielen Menschen in Deutschland wurde die Insel Nias bekannt, als sich Weihnachten 2004 die Tsunamikatastrophe  und  Ostern 2005 das gewaltige Erdbeben ereignete und die Welt entschlossen den Opfern  zu Hilfe eilte, als man in allen Medien sehen konnte, welches Ausmaß die Katastrophe hatte. Deutsche Hilfe kam besonders der kleinen Insel Nias zugute. Es gibt besondere Beziehungen zwischen Nias und Deutschland: Deutsche Missionare hatten seit 150 Jahren sich um den Aufbau der christlichen Kirchen gekümmert,  und noch immer bestehen enge Verbindungen zwischen Mutter- und Tochterkirchen.  Das ist mehr oder weniger bekannt und präsent
.

Wenig bekannt und fast vergessen ist, dass sich 1942 vor der Küste von Nias ein holländisch-deutsches Seekriegsdrama ereignete, das über 400 Deutsche das Leben kostete. Das niederländische Schiff, das dort unterging, trug kurioser weise den Namen „Van Imhoff“, den Namen eines berühmten Generalgouverneurs deutscher Herkunft .

Fast gar nicht bekannt ist, dass die Überlebenden der „Van Imhoff“ -Katastrophe  im Januar 1942 in einer Art Staatstreich die Republik Nias Merdeka – die Republik Freies Nias ausriefen, und ein Herr Fischer- Vertreter der Firma Bosch – ihr erster Präsident und ein Herr Vehring ihr Außenminister war. Die Unabhängigkeit dieser Republik dauerte zwar nur wenige Monate – aber immerhin …. ein wahrlich besonderes Kapitel deutsch-niassischer Beziehungen, das selbst im heutigen Nias kaum noch bekannt ist.

Näheres zu diesen tragisch-kuriosen Ereignissen ist im folgenden Beitrag nachzulesen, den  Herwig Zahorka 2001 im Internet veröffentlicht hat.  Zahorka schrieb eine Dokumentation über die Geschichte des deutschen Soldatenfriedhofs ARCA DOMAS in der Nähe der Stadt Bogor in Westjava. Diese Geschichte liefert auch die Verbindung zu den Ereignissen der „Van Imhoff“- Tragödie vor der Küste von Nias.

Der Untergang  der „Van Imhoff“ und die „Freie Republik Nias“                                                      von Herwig Zahorka

1939 brach der Zweite Weltkrieg aus, und am 10. Mai 1940 fielen deutsche Truppen in die Niederlande ein. Noch am selben Tage begann die Kolonialverwaltung im damaligen „Nederlands Indie“  alle  2.436 Deutschen zu internieren. Es waren überwiegend Angehörige der Kolonialverwaltung mit ihren Familien, wie Plantagenexperten, Ingenieure, Ärzte, Wissenschaftler, Erdölexperten. Aber auch Diplomaten, viele Missionare, Kaufleute und Seeleute und einige Künstler, wie der Begründer der berühmten balinesischen Malschule, Walter Spies, waren darunter. Das größte Lager befand sich in Nord-Sumatra. Die Männer wurden von den Frauen und Kindern getrennt. Einige Hundert Frauen und Kinder konnten dank der Vermittlung der Helferichs später über China nach Japan ausreisen, so auch Albert Vehrings Frau Hildegard. Helfferichs Plantage wurde enteignet.

Am 14. Dezember 1941 landeten japanische Truppen auf Borneo und im Februar 1942 in Air Bangis auf Sumatra. Die deutschen Männer durften nicht in Ihre Hände fallen- beschlossen die Niederländer – denn Deutschland war mit Japan verbündet. Die niederländische Kolonialverwaltung beschloss daher bereits im Januar, die Internierten in die britische Kronkolonie Indien zu verschiffen. Zwei holländische Gefängnisschiffe stachen am 17. Januar 1942 von Sibolga auf Sumatra in See. Am 18. folgte als drittes der 3000 BRT-Dampfer der Niederl. Königlichen Paketfahrt Gesellschaft KPM „VAN IMHOFF“ unter Kapitän Bongvani*). Das Schiff wurde aber nach einigen Stunden Fahrt wieder zurückbeordert, um weitere Deutsche aufzunehmen.

477 Deutsche waren schließlich in ein Meter hohe, mit Stacheldraht umgebene Verließe gezwängt, darunter auch Albert Vehring und Walter Spies. Bewacht wurden sie von 62 bewaffneten Holländern. Die Crew umfasste weitere 48 Mann. Das Schiff war nicht mit dem Rot-Kreuz-Symbol bezeichnet.

Am nächsten Tag wurde das Schiff auf hoher See von einem japanischen Jagdflugzeug angegriffen. Zwei Bomben explodierten im Wasser, die dritte schlug das Schiff Leck. Der erste Offizier kam zu den Deutschen und erklärte, das Schiff sei nicht in Gefahr, aber man habe trotzdem um Hilfe gefunkt. Hinter dem Stacheldraht brach keine Panik aus. Aber die Deutschen waren entsetzt, als sie durch die mit Stacheldraht vergitterten Ausblicke sahen, dass die Niederländer die fünf großen Landeboote zu Wasser ließen, sie an eine Motorpinasse hängten und das Schiff Richtung Sumatra verließen. Jedes dieser Fünf-Tonnen-Boote hätte 80 Mann fassen können, die Motorpinasse weitere 60. Einige dieser Boote sind fast leer.

Nun brachen die Deutschen ihre Gefängnisse auf und erkannten, dass das Schiff am Sinken war. Sie stellten fest, dass die Holländer auch die Pumpen und die Funkausrüstung zerschlagen hatten. Auf dem Achterschiff befand sich noch ein kleines Rettungsboot, das die Holländer nicht aus den festsitzenden Krampen bekamen. Die Ruder hatten die Holländer zerbrochen. Das Boot war für 42 Mann ausgezeichnet. Mit vereinten Kräften konnte es freigemacht und zu Wasser gelassen werden. 53 Mann stürzten sich hinein. Mit Planken als Ruder entfernten sie sich aus Sicherheitsgründen.

Etwa 200 Mann waren schon ins Wasser gesprungen in der Hoffnung auf Rettung. Aber die von den Bomben getöteten Fische hatten viele Haie angelockt, die nun die hilflosen Männer angriffen. Einige begingen Selbstmord. Die Tatkräftigsten bauten schnell aus Ladeluken, Brettern und Seilen Flöße. Albert Vehrings Bekannter findet noch ein verstecktes 2 bis 3 Meter langes Ruderboot an Deck. 14 Mann zwängen sich hinein, Vehring übernimmt das Kommando. Die Bordkante ragt eine Handbreit aus dem Wasser. Als sie 100 Meter vom Schiff entfernt sind, geht dieses plötzlich unter. Um die 200 Männer waren noch an Bord.

Die beiden Boote und die Flöße versuchten nun, die 55 Seemeilen entfernte Insel Nias zu erreichen, die Sumatra vorgelagert ist. Am nächsten Morgen, den 20. Januar, erschien das holländische Motorschiff „BOELONGAN“. Es kam auf 100 Meter an Vehrings Boot heran. Es wurde zugerufen: „Seid Ihr Holländer?“. Auf die Verneinung drehte die „Boeloengan“ ab und verschwand. Damit hatten die Männer auf den Flößen keine Chance mehr, gerettet zu werden. Ein jüdischer Juwelier, der aus Nazi-Deutschland geflüchtet war, schwamm von seinem Floß an das Schiff heran, wurde aber erbarmungslos zurückgewiesen. Das war sein unverdientes Todesurteil.

Albert Vehring berichtete später über diese unglaublichen Vorfälle in einer eidesstattlichen Erklärung am 20. Juni 1949 in Bielefeld bei Notar Bernhard Grünewald (Urkundenrolle Nr. 61/1949). Er schilderte, dass bei schwerem Seegang die Hälfte der Männer zur Entlastung des Bootes über Bord gehen und sich von außen am Boot festhalten mussten. Die Flöße waren aber nicht mehr zu retten. Erst am vierten Tag, den 23. Januar, erreichten sie vollkommen erschöpft, ausgehungert, dehydriert und sonnenverbrannt die Korallenküste von Nias. Das größere Boot wurde von der Brandung umgeworfen, wobei ein Mann ums Leben kam. Ein 73-Jähriger erhängte sich vor Verzweiflung. Am nächsten Morgen versorgten freundliche Niasser und ein holländischer Pastor namens Ildefons van Straalen die Geretteten mit Nahrung und Getränken.

Bei diesem Unglück gingen 411 zivilinternierte Deutsche unter, darunter 20 protestantische und 18 katholische Missionare sowie der geniale Künstler Walter Spies. 67 Männer erreichten Nias, wovon 65 überlebten. Da die „VAN IMHOFF“ der niederländischen KPM gehörte und die Niederlande unter deutscher Besetzung waren, mussten die versicherten Betreiber eine Entschädigungen von 4 Millionen Gulden an die Angehörigen der Toten in Deutschland zahlen, auch eine Einmaligkeit während eines Krieges. Nach dem Kriege strengten die in England lebenden Eltern von Walter Spies eine Klage gegen den Kapitän der „VAN IMHOFF“ Bongvani*). Er wurde zum Tode verurteilt, aber sofort amnestiert.

Am nächsten Tag wurden die Überlebenden auf Nias wieder von Holländern gefangen genommen und in den Hauptort der Insel, Gunung Sitoli, gebracht. Dort wurden sie im Polizeigefängnis eingesperrt, das von Holländern und von indonesischen Polizisten aus Sumatra bewacht wurde. Die Indonesier zeigten sich sehr verwundert, dass sie nun Deutsche bewachen sollten, wo doch die Deutschen erst vor kurzem ihre ungeliebten Kolonialherren in Holland besiegt hatten. Albert Vehring schmiedete mit ihnen ein Komplott. Die Deutschen verbündeten sich mit den Indonesiern und setzten am Palmsonntag 1942 die Holländer als Gefangene fest. Die Japaner waren inzwischen schon auf Sumatra und Java gelandet und hatten nun – Ironie des Schicksals – überall die Niederländer in Internierungslager gesperrt.

Nun ereignete sich auf Nias eine unglaubliche Inszenierung, die uns heute zum Schmunzeln veranlasst: Die Deutschen proklamierten zusammen mit den Niassern die „Freie Republik Nias“. Der Vertreter der Firma Bosch, ein Herr Fischer, wurde ihr Ministerpräsident, und Albert Vehring wurde Außenminister. Sie hatten niassische Counterparts. Die Niasser jubelten, sie hatten endlich das Kolonialjoch abgeschüttelt. Einige Wochen regierten die Deutschen im Einvernehmen mit den Niassern ihre Insel.

Albert Vehring segelte dann hinüber nach Sumatra, um mit den Japanern Verbindung aufzunehmen. Diese kamen am 17. April nach Nias und transportierten nun die Holländer als Gefangene ab, darunter auch Pastor van Straalen. Die Deutschen konnten wieder an ihre früheren Stätten zurückkehren, die „Freie Republik Nias“ hatte sich wieder aufgelöst. Albert Vehring arbeitete für die Japaner in einem Hotel, braute Schnaps und findet sich später wieder als Schiffsingenieur in Singapur.

*) Anderen Berichten zufolge hieß der Kapitän  H.J.Hoeksema (SPIEGEL 12/1965)

Weiterlesen über deutsche Schicksale in Indonesien während des 2. Weltkrieges:

http://www.bogor.indo.net.id/indonesien.deutschersoldatenfriedhof

Mehr Information zum Thema: http://www.gaebler.info/2012/08/van-imhoff/

Stichwort „NIAS“

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Unter dem Stichwort „Nias“ werden in diesem Blog Beiträge verschiedener Art erscheinen.  Was hat es mit Nias auf sich?
Nias ist eine der 13.000 Inseln Indonesiens. Sie liegt vor der Westküste Sumatras etwas über dem Äquator im Indischen Ozean. Sie ist etwa so groß wie die bekannte Insel Bali, hat wie Bali eine eigene Kultur und Sprache, die derzeit von ca. 1,3 Millionen Menschen gesprochen wird. In ihrer Sprache heißt Nias „Tanö Niha“ – „Land der Menschen“.

Das Volk der Niasser zählt zu den sog. altmalayischen Bevölkerungsgruppen Indonesiens, wie zB die Dayak auf Kalimantan oder die Batak auf Nordsumatra. Bekannt war Nias bis vor wenigen Jahren vor allem bei Ethnologen wegen seiner bis ins frühe 20. Jahrhundert noch aktiven Megalithkultur. Vor allem in den Dörfern von Südnias können Besucher/ Touristen auch heute noch einen Eindruck von der tradtionellen Lebensform der „Ono Niha“ – der Niasser gewinnen.

steinspringer

Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde Nias durch die Tsunami-Katastrohe vom 26. Dezember 2004 und das für die Insel noch verheerendere Folge-Erdbeben von Ostern 2005.  Eine Welle der Hilfsbereitschaft erreichte die kleine Insel, und die Arbeit der Hilfsorganisationen zeigt Wirkung. Ein international gesponserter Aufbauplan verhalf dem kleinen Eiland seither zu einer moderneren Infrastruktur, von der man sich auch einen ökonomisch-sozialen Entwicklungseffekt erhofft.

Nias hat eine stark wachsende Bevölkerung und kann seine Menschen kaum ausreichend ernähren – für viele junge Leute gibt es nur eine Zukunft auf den größeren Inseln Sumatra und in den Großstädten Indonesiens.  Für viele von ihnen ist das Internet und damit auch der Zugriff auf Musik und Lieder ein wichtiges Mittel geworden, um ihre Bindung an ihre niassische Heimat  zu erhalten. Deshalb ist für Besucher niassisch-indonesischer Zunge eine eigene Blogseite eingerichtet : „Nias- Indonesien“, auf der für sie relevante Beiträge gepostet sind.

Kultur und Religion der Niasser

adunomo

Der Rettung und Erhaltung  niassischer Kultur ist das Projekt MUSEUM PUSAKA NIAS gewidmet, das 1990 von dem deutschen Kapuziner  P. Johannes Hämmerle  ins Leben gerufen wurde und heute einheimischen wie ausländischen Besuchern einen authentischen An- und Einblick niassischer Kultur vermittelt.

 

Reiseberichte (Fotos)

Ein überaus anschaulicher und detaillierter Nias-Reisebericht mit Fotos aus dem Jahr  2003 stammt von der vielgereisten Autorin Elke Huber, die ihre Reiseerinnerungen  unter dem Titel „Urlaub im Land de ehemaligen Kopfjäger“ im April 2018 in ihrem Blog veröffentlicht hat.

Ein Bericht von einer   Reise im Februar 2006 nach Nordnias erzählt von den Schwierigkeiten beim Wiederaufbau der Insel ein Jahr nach dem verheerenden Erdbeben von Ostern 2005.

Historische Fotos von Nias

Es gibt nicht so viele Fotos von dem Nias von einst. Wenige Reisende und Ethnologen der frühen Jahre des 20. Jahrhunderts, die sich für die Insel Nias interessierten, waren auch Fotografen. Hier eine Reihe Fotos (siehe Link unten), die von dem dänischen Arzt und Ethnologen Dr. O. Hagerup und dem deutschen Weltreisenden Dr. Paul Wirz aufgenommen wurden zu einer Zeit als Indonesien noch Oostindie genannt wurde und holländische Kolonie war.

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Nias 1915 von –  Dr. O.Hagerup

Nias 1925 von  –  Dr. Paul Wirz

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LAGU NIAS NOSTALGIA

Kleine Geschichte der niassischen Popmusik ( Bahasa Indonesia)

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                                        The Teluk Dalam Beach Boys – 1970

Lieder, Sänger und Gitarrenspieler gab es auf Nias auch schon vor 1970 – die Niasser sind beeindruckend sangesfrohe Leute – man höre sie nur das Lied TANÖ NIHA singen, die inoffizielle Nationalhymne von Nias. Auch die Kirchenchöre und die Maenas bei den Festen  auf den Dörfern belegen die lebendige Sangestradition auf Nias. Aber erst seit 1970 gab es auf Nias Gruppen, die elektrisch verstärktes Band-Equipment benutzten. Einer der Gründe war natürlich, dass 1970 auf Nias mit Ausnahme der  Inselhauptstadt Gunung-Sitoli, einigen größeren Geschäften oder Fabriken kein elektrischer Strom zu Verfügung war.

Zum anderen wurde um 1970 auch in Nias die aus Jakarta kommende indonesische Popmusik interessant, wo Bands wie z.B. die legendäreKOES-PLUS Formation Songs produzierten, die sich über Radio in Windeseile in ganz Indonesien verbreiteten. Natürlich kannte und liebte man je nach Geschmack die Beatles, Rolling Stones, Deep Purple und andere Heroes of Rock & Pop  (Übrigens: Das Lied Du“ von Peter Maffay, wurde ab 1970 auch in Indonesien ein Schlager) Aber KOES-PLUS sang indonesische Lieder! Das war es!

Wie die BEATLES benutzte KOES-PLUS drei elektrisch verstärkte Gitarren und Schlagzeug und sang dazu im Chor von Liebe, Lust und Frust der indonesischen Jugend von 1970 ff. Das war einfach ansteckend. Im Laufe weniger Jahre entwickelte sich eine eigene indonesische Popmusik-Kultur, die Bands wie THE MERCY’S, PANBERS, D’LLOYD, BIMBO&IJN, APRILITE’S GROUP usw. und Stars wie Charles Hutagalung, Bob Tutupoli, Tetty Kadi, Emilia Contessa, Ernie Johan, Titiek Sandhora u.v.a. hervorbrachte, die heute noch bekannt sind und deren Lieder immer noch gesungen werden.

Als erste niassische Popmusik-Gruppe, die in elektrisch verstärkter Bandformation auftrat, gründete sich 1970 in Südnias die Band „The Teluk-Dalam Beachboys“, die indonesische und internationale Hits coverten, aber auch schon den Beatles-Hit „Obladi-Oblada“ mit einem niassischen Text („Sökhi li ziliwi gowi“) unterlegt präsentierten. Auch spielte man populäre Nias-Lieder (z.B.“Katitira langi“ oder „Bowo madala“), die auf den Dörfern gesungen wurden. Leider gibt es keine Tonaufnahmen dieser Band.

Die gab es erst 1973 von der Band SIMAENARIA LAHEWA, einer 1972 in Lahewa-Nordnias gegründeten Band.  Erschwingliche japanische Kassetten-recorder, die es inzwischen auch in Nias zu kaufen gab, ermöglichten die Verbreitung ihrer Lieder auf der ganzen Insel.  Dann begann eine rasante Entwicklung der niassischen Musikszene: Gruppen wie z.B. MARDIANA, BATE’E  BROTHERS GROUP und eine Reihe anderer Bands veröffentlichten ihre Lieder auf Musikkassetten, die mit einfachster Technik aufgenommen waren. Besonders an ihren Lieder war, dass sowohl Text als auch Musik ihre eigenen Kompositionen waren und nicht nur gecoverte Titel der außerniassischen Musikszene.

Einen qualitativen Schub erfuhr die niassische Popmusik  Anfang der 80-ziger Jahre, als niassische Musiker ihre Lieder in professionellen Studios in Jakarta aufnahmen, wie z.B. AVORE NIAS oder TRIO TIVALI. Seither gibt es eine ganze Reihe von niassischen Popmusik-Produktionen, die über Kasette, CD und Internet sich verbreiten.

Aber alle Gruppen, deren Lieder in den 70-er Jahren auf einfachen Kasettentapes gespeichert waren, haben das Problem des tropischen Klimas: die Bänder sind so korrodiert, dass ihre Produktionen in Nias heute fast nicht mehr verfügbar sind. Für alle Fans der ersten Stunde eine kleine Katastrophe.

Deshalb also dieser Blog-Beitrag: Niassische Popmusik der 70-er Jahre aus drei Cassetten, die sich in meiner Mediathek noch gefunden haben.Lagu Nias – Nostalgia. Here we are!