Schlagwort-Archiv: Horst H. Geerken

„Hallo Bandoeng! Hoort u mij? Dit is Den Haag!”

Die Funkstation Malabar, die Firma Telefunken und ein Jubiläum von Horst H. Geerken

Mit dem legendären Anruf „Hallo Bandung, hört ihr mich? Hier ist Den Haag“ eröffnete am 7. Januar 1929 die holländische Königinmutter Emma die reguläre Telefonverbindung zwischen der Sendestation Malabar in der Nähe der Stadt Bandung/Java im heutigen Indonesien und der Funkzentrale Kootwijk in Holland. Die Entfernung zwischen den beiden Sendestationen betrug über 12.000 km, und die Möglichkeit über eine solche Entfernung direkt zu telefonieren, war in der damaligen Zeit eine technische Sensation, die 1922 mit der Inbetriebnahme der Sendestation Malabar begann. Die technische Leitung oblag der deutschen Firma „TELEFUNKEN“, die von der holländischen Regierung beauftragt worden war.

In diesem Jahr 2022 wäre also ein Jubiläum zu feiern, das aber  sowohl aus holländischer wie auch deutscher Sicht mit etwas gemischten Gefühlen betrachtet werden wird: Die ehemals stolze holländische Kolonie „Nederlands Indie“ ist Vergangenheit – heißt heute Indonesien, und die stolze deutsche Weltfirma „TELEFUNKEN“ von damals gibt es ebenfalls  nicht mehr.

Über beide Themen jedoch gibt auch heute noch viel zu erzählen. Und das tut Horst H. Geerken in seinem jüngsten Buch „Die Funkstation Malabar“, das trotz der Covid-19 bedingten Recherche-Einschränkungen zeitgerecht zu diesem Jubiläum 2022 fertig wurde. Und wer könnte besser und kenntnisreicher davon erzählen als der Autor Horst Geerken, der selbst von 1963 bis 1981 mit der Generalvertretung der Firma TELEFUNKEN für Südostasien mit Sitz in Jakarta beauftragt war.

Wer sein Buch Der Ruf des Geckos gelesen hat, ist ja schon ein wenig über Leben und Arbeit des Autors in Indonesien informiert. In diesem neuen exquisiten Büchlein geht es vor allem um die Geschichte der drahtlosen Telegraphie und die entscheidenden wissenschaftlichen und technischen Leistungen der ehemaligen deutschen Firma TELEFUNKEN bis in unsere Tage.

Für uns Heutige, die rund um die Uhr mit Satelliten-TV versorgt werden und mit einem Tippen auf unser Smartphone einen Videochat mit einem Bekannten im „antipodischen“ Australien führen, können uns eigentlich nicht wirklich vorstellen, welch ungeheure technische Probleme mit der Eröffnung der interkontinentalen Kurzwellen-Funktelegraphie zu bewältigen waren.  Die vielen Fotos und Dokumente aus diversen Archiven in Geerkens Buch verschaffen einen faszinierenden Überblick über diese Geschichte, die mit der Errichtung der Sendestation Malabar einen ersten Höhepunkt erreichte.

Fazit

Während Leser mit wenig „funk-affinen“ Vorkenntnissen bei der selbstverständlichen Verwendung technischer Fachbegriffe vielleicht etwas überfordert sein könnten, ist das Buch für mit Funktechnik vertraute Leser eine wahre Fundgrube an Details der Funktechnik. Für sie wird vor allem der Exkurs in die Geschichte ihrer Technik lehrreich und interessant sein – sehr authentisch erzählt durch den passionierten Funkamateur Horst H. Geerken. Trotz der oben genannten kleinen Einschränkung fünf Sterne für dieses hochinteressante Buch.  (KS 04-2022)

Das Dritte Reich und Niederländisch Indien

Horst H. Geerken: Hitlers Griff nach Asien – Band 3

Eine Dokumentation

Wer Horst Geerkens Band 1 und 2 von „Hitlers Griff nach Asien“ gelesen hatte, der war sicher gespannt, was denn noch alles über Hitlers Griff nach Asien zu berichten sein würde, wo man doch in Bd. 1 und 2 schon so viel erstaunliche Begebenheiten erfahren hatte. Aber wie der Autor in seinem Vorwort erklärt, hatten die beiden Bücher ein unerwartet großes Interesse gefunden. Daraufhin wurde ihm so viel authentisches Material zugängig, dass ein weiteres Buch von 435 Seiten erforderlich wurde.

Beeindruckend, mit welch akribischem Fleiß der Autor diesen Informationen nachgegangen und ihre Verwendbarkeit überprüft hat. Und erstaunlich, wieviel unbekanntes historisches Material aus dieser katastrophalen Epoche noch vorhanden ist, wenn man als Autor das Vertrauen der Zeitzeugen erworben hat.

Ergänzend zu den in Bd. 1 und 2 geschilderten Begebenheiten gibt es z.B. Fotos vom Internierungslager Onrust bei Jakarta, weitere Informationen zum „Totenschiff Van Imhoff“, zu deutschen U-Booten in Indonesien, zur deutschen Schule Sarangan in Ost-Java, zum Internierungs-lager Dehra Dun in Indien, zu Familieninternas des SS-Brigadeführers und Hitlervertrauten Walter Hewel zu lesen, die dem Autor von einem Großneffen Hewels zu Verfügung gestellt wurden. Auch weitere Details aus Hitlers Leben und Umfeld sind dokumentiert. Ausführlich auch die Schilderung der Begeisterung der Indonesier für Hitler, damals zur Zeit Sukarnos als auch über einen „Hitlerkult“ heute, wo sich junge Indonesier als besondere Attraktion öffentlich in den Uniformen von SS und Wehrmacht präsentieren.

Wir lesen aber auch erstaunliche Geschichten z.B. über den jungen deutschen Hamburger Oskar Walter Speck, der 1932 im Faltboot von Ulm aus die Donau hinunter in einem siebenjährigen Abenteuer unglaubliche 50000 km bis nach Australien paddelte – mit einer Hakenkreuzflagge als Bugwimpel -, um zu demonstrieren, zu welchen Leistungen das neue Deutschland in der Lage sei.  1937 von der deutschen Community in Indonesien begeistert gefeiert, landete er 1939 endlich an seinem Ziel in Australien und wurde dort als Deutscher sofort von den Australiern bis Kriegsende interniert.

Wir lesen von einem Willem Eduard de Graaff, einem indonesisch-stämmigen Piloten der holländischen KLM-Airline, der im Laufe des Krieges die Fronten wechselte und in der deutschen Luftwaffe hoch spezialisierte Einsätze gegen die Alliierten flog.  Nach dem Krieg von holländischer Seite als Nazikollaborateur gesucht, gelang es ihm, über die sog. „Rattenlinie“ (mit Hilfe des Vatikans) nach Südamerika zu flüchten. Über sein weiteres Schicksal dort ist nichts bekannt.

Besonders ausführlich und eindringlich die Schilderung des Lebens und der Lage der Auslandsdeutschen in Indonesien bis 1940 und im Verlauf des 2. Weltkriegs. Die Internierung, Schikanierung und Enteignung der ca. 3000 Deutschen im Jahr 1940 durch die holländischen Kollonialbehörden, die Situation für sie nach der japanischen Besetzung Indonesiens von 1942-1945.  

Und hier dann fast exemplarisch die Schilderung der Odyssee der Familie Liesenfeld. Der Sohn Dr. Rudolf Liesenfeld, 1932 in Surabaya geboren, überlässt dem Autor viele Dokumente und Fotos aus dem Nachlass des Vaters Willi Liesenfeld, der seit Ende der 1920-er Jahre in Surabaya Vertreter der Firma Schlieper /Solingen im holländischen Kolonialindonesien war. Er erzählt von der Funktion des Vaters als Ortsgruppen-leiter der NSDAP in Surabaya, von der Begeisterung der Auslandsdeutschen für Hitler und Nazi-Deutschland, der Internierung und Trennung der Familie ab 1940. Der Vater wird 1942 in das Gefangenenlager Dehra Dun*) in Indien deportiert, die Mutter mit den zwei Kindern über Shanghai nach Japan verbracht. Die Familie kann sich erst 1947 nach siebenjähriger Trennung im zerbombten Deutschland wiedersehen.

Die Bedeutung von Band 3 liegt in der Fülle authentischer Dokumente, Reportagen, Fotos, Zeitungsausschnitte, biographischer Zeugnisse. Vieles, besonders die detaillierten Beschreibungen indonesischer Orte und Personen wird vor allem „Insider“ – und natürlich die Leser von Bd. 1 und 2 interessieren. Darüber hinaus aber vermittelt das Buch ein sehr anschauliches Bild der Schicksale der Auslanddeutschen in der Zeit der 1930-er und 1940-er Jahre in Indonesien, Indien, China und Japan, das auch für eine breitere Leserschaft interessant sein dürfte.  Auch für diesen 3.Band fünf Sterne. (KS)

*) Für alle Leser, die sich detaillierter für das Leben der internierten Deutschen im Lager Dehra Dun interessieren, sei die Lektüre von Horst H. Geerken: Hitlers Griff nach Asien – Band 4 empfohlen.

Laut Auskunft des Autors enthält es die gesammelten „Dokumente von Vorlesungen der Lageruniversität Dehra Dun. Es sind die einzigen Dokumente dieser Art, die die Internierung der Deutschen und die Nachkriegswirren überlebt haben. Es war ein einmaliger Glücksfall, dass ich diese Dokumente vor der endgültigen Vernichtung retten konnte, Es war eine Heidenarbeit, diese Dokumente wieder lesbar zu machen. Sie waren beidseitig auf dünnem Seiden-/Durchschlagpapier geschrieben.“ (Zitat)

… und alles wegen der Muskatnuss!

Das Gold der Bandas   von Horst H. Geerken 

Das einladende Cover des Buches ziert ein schönes Foto einer reifen Muskatfrucht, wie sie wohl ganz wenigen Menschen in Deutschland bekannt sein dürfte: Zu sehen ist nämlich die von dem roten Macis-Netz umgebene schwarz-braune Muskatnuss, die noch in ihrem hellem Fruchtfleisch eingebettet ist. Darüber prangt der verheißungs- volle Titel des Buches: “Das Gold der Bandas”. Sollte der Leser von diesem “Gold” noch nichts gelesen haben, dann führt ihn der Untertitel auf eine etwas richtigere Spur, die allerdings noch nicht ganz verrät, worum es da wirklich geht: “Der verhängnisvolle Schatz der vergessenen Inseln, die einst Weltgeschichte schrieben”.  Welcher Schatz und welche vergessenen Inseln sind das? Ein spannender Titel für ein richtig spannendes Buch, das der Autor Horst H. Geerken 2019 seinen Lesern geschenkt hat.  

Es geht um nichts weniger als um die Geschichte der kolonialen Eroberung der Welt durch die europäischen Seefahrernationen des 16./17.  Jahrhunderts – Portugal, Spanien, England und in unserem speziellen Fall um die Rolle Hollands (Niederlande) in Südostasien, dem heutigen Indonesien.  Und es geht ganz speziell um die Banda-Inseln – winzige Inselchen im Seegebiet der Molukken im äußersten Osten Indonesiens – und dabei um die Muskatnuss!   

Wurde  uns Schülern der 50-er Jahre im gymnasialen Geschichtsunterricht noch vor allem der ungeheure Wagemut von Seefahrern wie Christoph Columbus, Vasco da Gama oder Ferdinand Magellan gerühmt, die sich auf eine neue Geographie der Erdkugel verlassend die Entdeckung der Welt  auf ihren Schiffen in Angriff nahmen, so wurde uns doch weniger erklärt, warum sie diese Risiken wirklich auf sich nahmen, und welches die konkreten Hoffnungen und Bedingungen ihrer Finanziers waren. Es ging ja dabei um den unbekannten “Seeweg nach Indien”, auf dem dann aber 1492 durch Columbus erst einmal „Amerika“ entdeckt wurde, das er selbst ja sein leben lang für die Küste von „West-Indien“ hielt…   “Der Seeweg nach Indien” war ja aber der Weg zu den in Europa ungeheuer teuren exotischen Gewürzen, wie Pfeffer, Zimt, Kardamon und vor allem der Muskatnuss, die auf langen und nicht bekannten Handelswegen aus Asien über Venedig  an die europäischen Höfe gelangten.

Und spätestens ab da sollte man Horst Geerkens Buch in die Hand nehmen. Auf annähernd 200 Seiten der ersten Hälfte des Buches  erzählt der Autor bewundernswert informiert und detailreich die Geschichte der europäischen Eroberung der Handelswege zu diesen Gewürzen, speziell zur Muskatnuss.  

Die fatale Rolle der Muskatnuss

Diese Gewürznuss wuchs und gedieh auf Grund einzigartiger botanischer Bedingungen bis ins ausgehende 18. Jahrhundert nur auf den Banda-Inseln im heutigen Indonesien, nirgendwo anders  auf der Welt. Heute aus verschiedenen tropischen Ländern importiert, kann man sie für ein paar  Cent in jedem europäischen Supermarkt kaufen. Damals hielten die einheimischen Händler die geographische Lage dieser Inseln vor möglichen Konkurrenten geheim, bis die Portugiesen 1512 diese sagenumwobenen Inselchen doch entdeckten und von da ab als eigenständige Händler – nicht mehr über arabische oder chinesische Zwischenhändler – Muskatnüsse  direkt von den Bewohnern der Banda Inseln kauften und mit riesigen Gewinnen auf den Märkten Europas verkauften. 

Das sollte auch fast 100 Jahre so bleiben, bis englische und vor allem holländische Kaufleute die asiatischen Handels-niederlassungen der Portugiesen zu erobern begannen. 1602 wurde in Amsterdam die Vereinigung holländischer Kaufleute die Vereinigte Ostindische Compagnie (VOC) gegründet, die folgenreichste Entscheidung für den indonesischen Archipel für die nächsten 350 Jahre. Die Chefs der VOC, die General-Gouverneure, mit nahezu unbeschränkter Vollmacht ausgerüstet, agierten als Herren über Leben und Tod in ihrem Reich, und waren nur ihren Auftraggebern in Holland Rechenschaft schuldig.

Mit welcher Brutalität sie dabei agierten, zeigt das Vorgehen des Generalgouverneurs Jan Pieterszoon Coen. Um im Muskathandel mit Europa endgültig das Monopol der VOC zu garantieren, ließ er  1623 die etwa 15.000 Bewohner der Banda-Inseln durch seine Soldaten umbringen, um die Inseln dann mit europäischen Kolonisten zu besiedeln.  Importierte Sklaven aus anderen Gegenden des Archipels mussten die Arbeit in den Muskat-Plantagen übernehmen. Die grausamen Einzelheiten dieses Genozids kann man im Buch nachlesen. Die ökonomische Folge dieser brutalen Untat war für etwa 150 Jahre lang das Muskat-Monopol der VOC im Welthandel. Es garantierte den holländischen Geldgebern – Hollands reichen “Pfeffersäcken” in Amsterdam und Middelburg –  tausendfache Gewinne:  Auf Europas Märkten wurde die Muskatnuss mit Gold aufgewogen! Die armen Bandanesen mussten ihren verhängnisvollen Schatz mit dem Leben bezahlen. 

Die einzigen, die weiterhin versuchten, sich gegen das Diktat der VOC auf den Banda Inseln zu wehren, waren englische Kaufleute, die den Anspruch Englands auf die kleine Banda-Insel Run  unverdrossen aufrecht erhielten. Im Streit um diese Insel einigte sich England und Holland 1667 im Frieden von Breda durch einen Tausch: Holland bekam die winzige Insel Run und England erhielt im Gegenzug die damals aufstrebende holländische Kolonie Niew Amsterdam, das heutige Manhattan New Yorks.  Und damit schrieb die winzige – heute vergessene – Banda-Insel vor 350 Jahren schon einmal Weltgeschichte. 

Die Reise zu den Bandas 2018

Leser von Horst H. Geerkens Bücher wissen ja, dass man als Leser seiner Bücher auch  immer ein Begleiter seiner persönlichen Recherchen und Erfahrungen ist.  Auch in diesem Buch nimmt er uns mit auf seine Reise zu den Banda-Inseln, seinen Erlebnissen und Begegnungen mit Menschen vor Ort. Eine Fülle von Karten, Bildern, Dokumenten und Fotos belegen eine selten so engagierte Suche nach den Verbindungen zwischen der kolonialen Vergangenheit und dem heutigen Indonesien. Z.B. ist ein hochinteressantes Kapitel dem deutschen Biologen Georg Eberhard Rumpf – Rumphius genannt – gewidmet, der von 1654 bis 1702 in Ambon lebte und arbeitete, und eine gewaltige Forschungsarbeit hinterlassen hat, die inzwischen auch von den Indonesiern gewürdigt wird.

Horst Geerkens Liebe zu Indonesien, das er seit über 55 Jahren kennt und das er als eine zweite Heimat betrachtet, lässt ihn mit indonesischen Augen auf die Erfahrungen der holländischen Kolonialzeit blicken. Sein Resümee teilt den Eindruck vieler geschichtsbewusster Indonesier: Die holländische Kolonialzeit hat den Menschen Indonesiens wenig Gutes und viel Schlechtes beschert.  Das aber ist eine Erfahrung, die Indonesien mit vielen ehemaligen europäischen Kolonien in Asien, Afrika und Amerika teilt. Das Rassismus-Problem der USA von 2020 ist ein aktuell schmerzlicher Nachhall dieser Epoche. 

Wem ist die über 400 Seiten starke Lektüre zu empfehlen?                         

Fans von H.H. Geerkens Büchern brauchen ja eigentlich keine Empfehlung. Sie kennen und lieben die authentische Art des Autors von seinen indonesischen Erfahrungen und Recherchen zu berichten. Auch dieses Buch über die Reise zu den Banda-Inseln ist wieder sehr typisch und kompetent. Aber es wäre auch ein Buch für alle neuen – vielleicht sogar jungen – Leser, die etwas genauer über die fatale Rolle und das Agieren des “weißen Mannes” in der kolonialen Welt Südostasiens wissen möchten.  Fünf Sterne! (KS -2020)   

siehe auch : ZDF – Terra X – Wettlauf nach Ostindien – VOC

Die kaum erzählte Geschichte einer Generation

Horst H.Geerken: Missbrauchte Kindheit       Geboren im Jahr von Hitlers Machtergreifung

Ja, auch vom sexuellem Missbrauch des siebenjährigen Jungen während seiner Evakuierung  auf einem schwäbischen Bauernhof und seiner kindlichen Hilflosigkeit dieser Erfahrung gegenüber, berichtet der Autor  in seinem Buch „Missbrauchte Kindheit“, einer Erfahrung die in unseren Tagen von so vielen Menschen endlich öffentlich gemacht wird.

Aber schon der Untertitel legt nahe, dass es in diesem Buch um einen weit umfangreicheren Missbrauch  geht. Es geht um die betrogene Kindheit und Jugend der „Generation 33“, wie ein anderer Rezensent sie genannt hat, die von nationalsozialistischen Propaganda verführt und indoktriniert, und noch als Kinder die katastrophalen Konsequenzen dieser Ideologie durch den 2. Weltkrieg erleiden mussten.

Auch wenn der Autor immer wieder engagiert auf das Schicksal und die Seelen traumatisierter Kinder aus derzeitigen  Kriegen in der Welt z.B. im Irak, Afghanistan und Syrien aufmerksam macht, ist sein Buch vor allem die seinen Enkeln in Australien gewidmete Geschichte seiner eigenen Kindheit  in Deutschland von 1933 bis ca 1950.

Der kleine Horst H. Geerken wird 1933 in  Stuttgart geboren. Er wächst auf im kleinbürgerlichen Milieu als Kind einer Familie, in der Vater, und besonders die  Mutter begeisterte Anhänger  Adolf Hitlers sind und auch ihre Kinder im Geiste der NS-Ideologie erziehen.   Es macht die Bedeutung dieses Buches aus, dass  der Autor über diese Zeit, über sich  und seine Familie sehr ehrlich und freimütig berichtet.  Für den etwas nachgeborenen Leser wird durch die detailliert geschilderten Erlebnisse deutlich, auf welcher Woge der Popularität sich Hitler und seine NSDAP in weiten Kreisen der Bevölkerung der  30-er Jahre bewegte, von der dann nach dem Krieg fast niemand etwas gewusst haben will.

Der zweite Teil des Buches widmet sich eindringlich der Erfahrung des Krieges, der Bombennächte, der Zerstörung der elterlichen Wohnung,  der Evakuierung der Kinder aus dem bedrohten Stuttgart auf schwäbische Dörfer,  Horst ist sieben Jahre alt, als er  „verschickt“ wird und erst vier Jahre später zu Mutter und Geschwistern zurückkehren kann. (Er teilt dieses Schicksal mit etwa 2 Millionen deutscher Kinder in dieser Zeit)

Erzählt wird im schon katastrophal zerstörten Deutschland von dem fanatischen Festhalten der Bevölkerung am Glauben an den  „Endsieg“ Hitlers, von  dem Erleben des Einmarschs der amerikanischen   Truppen  und dem Bekanntwerden der unglaublichen Verbrechen der SS in den KZ’s, die man  für Feindpropaganda hält.

Nach 1945  dann die ganz schlimmen Jahre der ausgebombten Familie in der Nachkriegszeit, die mit acht Personen in einer Drei-Zimmerwohnung in Schwäbisch-Hall für Jahre unterkommen muss. Von der Not, dem Hunger und dem Kampf ums physische Überleben, dem  auch  der junge Horst und sein Bruder Hartmut täglich ausgesetzt ist, der erst mit dem Erhalt von sog. CARE- Paketen einer Tante aus Amerika etwas leichter wird. Erst mit der Währungsreform 1948 und dem Entnazifizierungsprozess  und der Wiedereinstellung des Vaters in den Postdienst bessert sich das Schicksal der Familie Geerken, und Horst beginnt als Jugendlicher  seinen eigenen Lebensweg zu suchen.

Das Resümee seiner Erfahrung dieser Zeit hat er im Nachwort seines Buches zusammengefasst:                                                                                                                                  „ Wir Kinder hatten im Dritten Reich eine Jugend ohne Wahrheit! Wir Kinder waren hilflose Opfer, keine Täter! Wir hatten daher nach Kriegsende ein Recht, uns von der unrühmlichen Vergangenheit Deutsch­lands abzugrenzen.

Es dauerte Jahre, bis mir ein Licht aufging, bis ich begriff, welch Unrecht während der NS-Herrschaft geschehen ist. Ich musste selbst lernen, wie ich mich von dem indoktrinierten nationalsozialistischen und antisemitischen Gedankengut des Dritten Reichs befreien konnte, denn die Eltern, wie alle Alten, selbst die Lehrer in der Schule schwiegen zu diesem Thema. Obwohl wir fragten, bekamen wir keine Antwort. Es war ein Thema, dem immer wieder ausgewichen wurde. Alle Erwachsenen flüchteten sich in eine Amnesie.

Die Probleme der Kriegskinder wurden in der Nachkriegszeit schlichtweg von den Erwachsenen vergessen. Wir Kinder, die wir gerade aus dem Horror des Krieges kamen, mussten uns selbst damit auseinandersetzen. Wir mussten uns selbst aufklären, wir mussten aufarbeiten, was unsere Eltern und Großeltern verschwiegen haben“. (Zitat . Missbrauchte Kindheit S. 207)

Ein unbedingt lesenswertes Buch vor allem für alle, die über diese Zeit vielleicht zu wenig wissen, aber auch für solche, die es eigentlich wissen sollten, wie z.B.  Dr. Alexander Gauland, Vorsitzender der AfD, der die Zeit der 12-jährigen NS-Herrschaft als „einen Fliegenschiss in der großen  deutschen Geschichte“ genannt hat.

Für mich, Jahrgang 1941, acht Jahre jünger als der Autor, ist die Nazizeit und auch der Krieg keine erinnerbare Erfahrung, zumal ich auf einem Dorf groß geworden bin, das von den direkten Kriegseinwirkungen verschont blieb. Einige verschüttete Erinnerungen jedoch aus den späten 1940-er Jahren wurden durch Horst H.Geerkens Buch wieder sehr lebendig. Vielen Dank dafür. (KS)

Horst H. Geerkens Familien-Saga

DIE AHNEN von Horst H.Geerken

Eine Familiengeschichte in Wort und Bild:                                                                          Geerken/Gerken , Thiel, Mannhardt, Schenk

Ein wunderbares Buch für alle Leser, die irgendwann auf den Gedanken kommen, sich mit der Lebensgeschichte der Männer und Frauen der eigenen Familie zu befassen. Warum bin ich so, wie ich bin und wie ging es denn den Menschen meiner Familie früher? Wo kommen wir denn eigentlich her? Die Älteren unter uns Lesern wissen ja bereits, dass das Interesse daran meist erst in einem Alter einsetzt, in dem schon viele Leute nicht mehr leben, die uns noch authentische Information über die Familiengeschichte und die dazu gehörenden Fakten und Geschichten geben könnten.

Und so  ging es auch dem Autor, der  im Nachwort zu seinem Buch bekennt, leider so manche Familienmitglieder nicht mehr befragen zu können, die noch etwas  wissen konnten über das Leben der Generation davor. Umso erstaunlicher ist aber, was dem Autor in seinem Buch trotzdem gelungen ist: Eine aufwändig historisch abgesicherte Geschichte seiner Vorfahren. sowohl väter- wie mütterlicherseits zu erstellen, die vom Mittelalter bis zum 85. Geburtstag des Autors in 2018 reicht. Erfasst ist die Genealogie der Familien Geerken/Gerken , Thiel, Mannhardt, Schenk.

Viele Jahre hatte Horst H. Geerken  einfach Dokumente und Zeugnisse der Familie gesammelt und abgelegt, bis er fand, dass all diese Dokumente in einen Zusammenhang gebracht werden müssten. Die Idee eines Buches war geboren.  Er meinte, es sei „höchste Zeit, den Stab der Erinnerungen an die noch junge Generation der Nachkommen weiter zu geben.“ Das war bei der Fülle des Materials keine einfache Sache. Ein großes Kompliment an den Autor.

Aber es gibt ja auch wirklich Erstaunliches zu erzählen  und zu berichten über die Vorfahren der Familie des Autors. Auch wenn die Recherche sehr zeitaufwändig gewesen sei, hätte es aber „Freude gemacht, auf den Spuren der Ahnen zu wandern.“  Einiges war bekannt, z.B. dass der Großvater Johann Hinrich Geerken Kunstmaler war und aus Norddeutschland ins Schwabenland kam, aber nicht in der Lage war, seine  Frau und fünf Kinder zu versorgen. Aber dass  z. B. die Tante, Haushälterin bei Albert Einstein war, schien vielleicht nicht so bekannt gewesen zu sein. Auch vielleicht, dass Graf Luckner, ein Seeheld des 1. Weltkriegs, der heimliche Geliebte der Tante Lydia war.

Es gibt so viel zu berichten, was den Nachfahren doch interessant erscheint. Unter den Vorfahren mütterlicherseits fand sich z.B. der berühmte Turmuhrmacher-Meister Johann Michael Mannhardt, dessen Turmuhr heute noch im Köln zu besichtigen ist. Er wiederum war der Sohn eines Klosterbruders, der wohl infolge der Säkularisation seines Klosters seinen Beruf als Braumeister nicht mehr ausüben konnte, seine Kutte an den Nagel hängte und eine Familie gründete, aus deren Schoss nach fünf Generationen der Fernmelde-Ingenieur Horst H. Geerken , der Autor dieses Buches, hervorging.

Und das scheint mir die Stärke dieses Buches auszumachen: Aus dem eigentlich nur historisch-genealogisch und vor allem die weit verzweigte „Geerken-Sippe“ interessierenden Werk, entsteht durch die Erzählung des Autors eine richtig spannende „Familiensaga“,  die auch gut hätte ein Roman sein können, wenn sie nicht vom wirklichen Leben der Familie Geerken berichten würde.  Eine wahrhaft kosmopolitische Familie, deren Mitglieder heute in Europa, USA und Australien zuhause sind.  Die vielen Fotos veranschaulichen das Gelesene.

Der bewegendste Teil des Buches ist die erlebte Zeit des Autors von 1933 bis 2018. Freimütig und detailliert lässt er den Leser an seinem Erleben dieser Zeit teilnehmen.  An der Not der Kindheit der Schwester und des Bruders in Kriegs- und Nachkriegszeit, den Schwierigkeiten des Vaters mit der „Entnazifizierung“, der Jugend in der frühen Bundesrepublik, der ersten Liebe, seinen Hobbies und Leidenschaften, dem beruflichen Werdegang, der 18 erfolgreichen Jahre als Resident der  Firma AEG-Telefunken in Indonesien, der Gründung der Familie mit der Geburt der Tochter in Jakarta, der Übersiedlung nach Australien und der Scheidung  der Ehe, den letzten Jahren der Eltern, dem Leben mit der neuen geliebten Lebensgefährtin und ihrem frühen Tod, der Freude über  die Enkelkinder, denen dieses Buch gewidmet ist.  Horst H. Geerkens Vermächtnis an die nächste Generation, deren lebender „Ahne“ er inzwischen geworden ist.

Fazit: Ein wunderbares Buch für alle, die sich auf eine wahre „Familien-Saga“ einlassen wollen. (KS – Nov 2018)

Nb.

Mehr Details über Kindheit und Jugend des Autors in seinem  Buch                        Missbrauchte Kindheit – Geboren im Jahre von Hitlers Machtergreifung

 Über die Lebensepoche des Autors in Indonesien:                                                                       Der Ruf des Geckos – 18 erlebnisreiche Jahre in Indonesien  und                                               Annette Bräker und Horst H. Geerken: Indonesien – Gestern und heute 

INDONESIEN UND HITLER…???

Horst H. Geerken: Hitlers Griff nach Asien –  Bd.1 und 2

51t7fh0QtqL

Indonesien und Hitler…?

Hat sich Hitler tatsächlich für Indonesien interessiert? Das fragte sich  auch der Autor Horst H. Geerken, als er im Laufe seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit für AEG-Telefunken in Indonesien dort immer wieder  auf Berichte und Fakten aus dem  2. Weltkrieg stieß, die nicht ohne weiteres erklärlich schienen und die ihn bis heute beschäftigen.  Dass Indonesien schon vor dem 2. Weltkrieg eines der tropischen „dreamlands“  der Deutschen war, das konnte der Autor im Rückblick auf seine eigene Jugend bestätigen.

Wie  kommt es aber, dass  z.B. der  Massenmörder Hitler noch heute  bei vielen Indonesiern  eine Popularität genießt, die bei uns Deutschen mindestens ein ungläubiges Kopfschütteln provoziert? Wie erklärt sich, dass in den Bergen  Westjavas  nicht weit von Jakarta auf dem Soldatenfriedhof ARCA DOMAS die Gräber deutscher  Marinesoldaten zu finden sind?  Was hat Indonesien überhaupt  mit Deutschlands Weltkrieg zu tun?

Horst H. Geerken begann intensiv zu recherchieren und förderte Erstaunliches zu Tage. Zwei Bände umfasst seine Dokumentation unter dem Titel „Hitlers Griff nach Asien“, die 2015 veröffentlicht wurde. Vieles dürfte auch für professionelle Historiker neu sein. Geerken entdeckt z.B. bei seinen Recherchen   Dokumente über und von SS-Brigadführer Walter Hewel, einem sehr engen Vertrauten Hitlers,  der  in den dreißiger Jahren leitender Angestellter auf einer  britischen Teeplantage in Westjava war und  im damaligen  Indonesien eine wichtige Rolle als Vertreter der NSDAP für die dortigen Auslandsdeutschen spielte. Zurück in Deutschland war Hewel ab 1938 Hitlers Verbindungsmann zu Ribbentrops Außenministerium mit speziellem Bereich  für Südostasien.  Durch diesen engen persönlichen Kontakt ist wohl auch das Interesse Hitlers an Indonesien erklärbar.

Auch wenn professionellen Historikern die Dimension von Hitlers Weltkrieg natürlich klar ist,  im Bewusstsein der  deutschen Öffentlichkeit ist der 2. Weltkrieg  aber vor allem eine Kriegskatastrophe   auf europäischen Kriegsschauplätzen.   Dass dieser  Krieg aber ein wahrhaftiger Weltkrieg war, lässt sich in  Geerkens Buch detailliert nachlesen, wie  Hitlers Politik und Krieg sich z.B.  auf den südostasiatischen Raum auswirkte. Die  Verflechtungen von Japans Krieg in Ostasien mit den Interessen  und Kriegszielen Hitlers in Europa. Die Brutalität des Krieges auf den asiatischen Kriegsschauplätzen. Die Unterstützung Hitlerdeutschlands für den indischen Freiheitskämpfer Chandra Bose, den neben Mahatma Ghandi wichtigsten Protagonisten eines unabhängigen  Indien.  Die Situation und das Schicksal der Auslandsdeutschen jener Zeit in China, Japan und Indonesien. Der deutsche U-Bootkrieg und die abenteuerlich-katastrophalen Operationen deutscher U-Boote im Indischen Ozean sowie die Stützpunkte der Deutschen Kriegsmarine in Malaysia, Singapur und Indonesien.  Das Schicksal  der deutschen Marinesoldaten in Indonesien 1945/46 nach der Kapitulation Deutschlands und Japans.  Das alles ist  sehr informierend und spannend zu lesen.

Die Verflechtung von Indonesiens Geschichte mit Deutschland hat – abgesehen von der  historischen Bedeutung vieler bekannter deutscher Persönlichkeiten im einstmaligen „Nederlands Indie“  – einen besonders brisanten Berührungspunkt: Die Besetzung Hollands 1940 durch die deutsche Wehrmacht. Für die indonesische Unabhängigkeitsbewegung unter ihren Führer Soekarno war das die Niederlage der Kolonialmacht Holland. Hitler und Deutschland – neben dem damals siegreichen Japan – als einer der faktischen Väter der indonesischen Unabhängigkeit, so sahen es die indonesischen Freiheitskämpfer.  Indonesien und Hitler…?.. Sic!

Im letzten Teil des 2. Bandes schildert Geerken den indonesischen  Unabhängigkeitskampf  von 1945 bis 1949, den Anteil und die Rolle Deutschlands beim Aufbau des jungen Staates, von dessen Geschichte die Hunderttausenden deutscher Bali-Touristen wohl recht wenig wissen und von der in den Prospekten der Reiseveranstalter nicht viel zu lesen ist.

Für alle, die doch ein wenig mehr wissen wollen, ist Geerkens  „Hitlers Griff nach Asien“   anschaulich spannend erzählte Geschichte, die in dieser Form bisher noch nicht zu lesen war. Fünf Sterne und unbedingte Leseempfehlung. (KS)

NB. Eine empfehlenswerte Rezension bei AMAZON:                                                                Eine Geschichte von Helden und Schurken am fernen Ende der Welt

siehe auch:                                                                                                                                         Herwig Zahorka:    Die Geschichte des deutschen Soldatenfriedhofs ARCA DOMAS

Erlebtes Indonesien – von 1964 bis 2014

Annette Bräker und Horst H. Geerken

Indonesien – Gestern und Heute      

„Reiseberichte der anderen Art“, heißt der Untertitel  von 12 Reisen im Laufe von 50 Jahren durch den indonesischen Archipel. Von Sumatra bis Papua-Neuguinea, nach Sulawesi ,nach Sumba und Kalimantan, bedeutende Ziele im Reich der 13000 Inseln, die aber von ganz wenigen Indonesienreisenden  besucht werden. Auch für Annette Bräker und Horst Geerken, die beiden Autoren des Buches, waren es außergewöhnliche Reiseziele. Ihre besondere Liebe und Aufmerksamkeit jedoch gilt den Inseln Java und Bali, mit denen sich auch die meisten Erinnerungen verknüpfen. Besonders aber an Bali, der Insel, die den beiden in den vergangenen Jahren wie eine zweite Heimat wurde.

Der Reiz des Buches liegt zum einen in dem großen Zeitbogen von 50 Jahren, aus dem diese authentischen Reiseerzählungen stammen, und  die zugleich fast dokumentarisch  über das sich so schnell verändernde  Indonesien berichten:  Siehe den Titel des Buches: Indonesien, Gestern und heute. Zum andern profitiert das Buch von den langjährigen persönlichen Begegnungen und Freundschaften mit indonesischen Freunden, der detaillierten Kenntnis von Sitte, Religion und Kultur dieses exotischen Landes. Der größte Teil der Reiseerinnerungen stammt aus Annettes Feder, die durch Horst Geerkens Schilderungen und Fotos komplettiert werden.

Was wäre aber das alles ohne die interessanten privaten Stories, die der Leser mit bekommt! Vom Flugbetrieb und Fluggästen vor 40  Jahren, vom Besuch  an Sukarnos Grab und seinem Arbeitszimmer im  Tugu-Hotel in Blitar,  von guten und schlechten  Hotels in Java, von Annettes Toilettenproblemen 1987 an den Bushaltestationen in Sumatra, vom Treffen mit alten Freunden, aber auch von lästigen und unerfreulichen Mitreisenden, von lebensgefährlichen Abenteuern 2001 in Kalimantan, vom Urlaubsdomizil bei den Redemptoristenpatres in Sumba, von einer Seereise als 1.Klasse-Passagiere auf einem PELNI-Schiff von Bali bis Jayapura, vom Schacher um gefälschte Bilder von Walter Spieß in Bali, von der er geliebten Ferienwohnung in Ubud, sowie  den Freuden und Kummer der Hausangestellten, vom Hausfrosch in der Urlaubsvilla, der nicht mehr quaken wollte, von Horsts Problemen mit Miet-Autos auf Bali oder von Annettes Salsa-Tanzleidenschaft, der sie in den beiden letzten Jahren ihres Lebens nicht mehr richtig frönen konnte, als auch ihrem tapferen Leben mit ihrer tödlichen Krankheit auch im geliebten Ambiente Balis.

Ironisch bis sarkastisch Annettes Reserve gegenüber dem zunehmenden Boom von  Touristen , der Bali zu überrennen droht und an Balis Kultur und Religion keinen Deut interessiert  scheint, an amerikanischen und australischen Heilern und Gurus, die in Bali eine ertragreiche Nachfolgeadresse für Bhagwans  heimatlos gewordene Nachkommen aus Poona entdeckt haben, und mit ihren Festivals und Kursen heilsuchenden Schülern das letzte Geld aus der Tasche ziehen.

Gerade in ihren letzten Urlaubsmonaten2014  in Bali beschreibt sie – ungeachtet ihrer persönlichen Krankheit – die Sorge um die Zukunft ihres geliebten Bali, ob die Insel im Erfolg des Tourismus und der javanischen Geschäftsleute, der zunehmenden Islamisierung Indonesiens,  ihren Charme und ihre Seele behalten kann. Fast nebenbei – ohne dozierende Attitüde –  lässt Annette in die Erzählungen aus ihrem balinesischen Alltag – aus dem „Nähkästchen“ ihrer Profession als vergleichende Religionswissenschaftlerin –  höchst informative Anmerkungen über Religion und Kultur Balis einfließen, die zeigen, wie eng sie sich diesem Kulturkreis verbunden fühlte. Wie wir aus dem Nachwort von Horst Geerken erfahren, wurde – Annettes Wunsch entsprechend – nach ihrem Tod 2015 ihre Asche nach Bali verbracht und im heiligen Fluss  Campuhan in der Nähe von Tampaksiring verstreut.

Wem ist die Lektüre zu empfehlen? Sicherlich allen Lesern, die Indonesien aus einer unmittelbar persönlichen Erfahrung erleben wollen, die zugleich ein Dokument einer großen Liebe und Zuneigung zu diesem Land, aber auch eine berührende Liebesgeschichte der beiden Autoren zu einander ist.

Für jemanden  wie mich, der Indonesien seit 1968 kennt, war das Buch natürlich eine unwiderstehliche Einladung zum Lesen, nachdem mir kurz davor Horst Geerkens „Ruf des Gecko“ wieder in die Finger gekommen war. Ich habe „Indonesien – Gestern und Heute“ in einem Rutsch gelesen. Ein posthumes herzliches „Terima kasih!“ an die leider 2015 schon verstorbene Annette Bräker, die uns Leser literarisch so nah an ihren Reisen und indonesischen Erfahrungen teilhaben ließ. Dank aber auch an Horst Geerken, ohne den diese so lebendigen Erinnerungen wohl für immer in einer Nachlassschublade verschwunden wären.

(KS) Oktober 2017

Toke‘, Toke‘!

DER RUF DES GECKOS  –  Horst H. Geerken

Können Geckos rufen – wie es der Titel dieses hochinteressanten Buches unterstellt? Ja, müssen wir sagen: Der indonesischen Vertreter dieser Gattung schon, der „Tokek“ – der große Mauergecko, der abends und nachts in den Häusern und Hütten sein unüberhörbares  tiefes Toke‘ ertönen lässt  und dem viele Indonesier magische Kraft zuschreiben: Man zählt aufmerksam, wie oft sein Toke‘ zu hören ist und erfährt dann, ob einem Glück beschert sein wird. Allerdings muss das Toke‘ mindestens siebenmal – am besten aber – neunmal zu hören sein. Soll man so etwas ernst nehmen? Horst Geerken und seiner Familie hat der oft gehörte 9-malige Ruf des Geckos – sowohl privat als auch geschäftlich -18  glückliche Jahre in Indonesien gebracht.

Dabei begann seine Zeit in Jakarta als Geschäftsträger der deutschen Firma AEG –TELEFUNKEN im Jahre 1963 – die bis 1981 währen sollte,  zu einer Zeit, in der Indonesien unter seinem Präsidenten Sukarno auf ein politisch-ökonomisches Desaster zusteuerte, das 1965 mit dem Putsch-Massaker des General Suharto seinen Tiefpunkt erreichte. Horst Geerken hat diese Zeit hautnah erlebt.  Sein Buch erzählt detailreich, welch schwierige Verhältnisse des täglichen Lebens damals selbst für ein Mitglied der deutschen Geschäfts-Community  zu bewältigen waren. Aber auch welch interessante Aufgaben und Begegnungen der junge Geschäftsmann – Horst Geerken war damals gerade 30 Jahre alt – erleben konnte. Er hat im Laufe der Jahre neben vielen Persönlichkeiten  der deutschen Politik und Wirtschaft und der deutschen Botschaft in Indonesien  z.B. auch den damaligen Präsidenten Sukarno persönlich kennen und schätzen gelernt.

Was aber den besonderen Charme dieses Buches ausmacht, ist die Sympathie  für Indonesiens Menschen, ihre  Kultur und Geschichte, der des Autors engagiertes Interesse gilt. Nicht eben selbstverständlich für einen Ingenieur der Nachrichtentechnik! Über  fünfzig Seiten widmet das Buch der Geschichte des Landes, das 350 Jahre eine holländische Kolonie war und seine Unabhängigkeit letztendlich in einem fast fünfjährigen Krieg gegen Holland erkämpfen musste. Sehr gut auch die engagierte Sympathie des Autors für die Rolle Sukarnos, des ersten Präsidenten  Indonesiens, ohne den ein Indonesia Merdeka – ein freies Indonesien, wohl nicht vorstellbar wäre. Schonungslos dokumentiert der Autor auch die Grausamkeiten des kolonialen Terrorregimes als blutige Antwort auf die indonesischen Unabhängigkeitsbestrebungen seit 1945 – Fakten, von denen in Europa wenig zu lesen war und die für Holland noch immer ein sehr unpopuläres Kapitel seiner jüngsten Geschichte sind.

Ebenso aufschlussreich Geerkens Schilderung der Rolle der USA für das unabhängige Indonesien. Die anfängliche Unterstützung, dann aber die wiederholten Versuche der CIA den Präsidenten Sukarno durch Attentate zu ermorden  und  schließlich  die maßgebliche Rolle der CIA beim Putsch des General Suharto und dem Massenmord von 1965/66 an hunderttausenden Menschen – ein Trauma, unter dem auch noch das heutige Indonesien leidet.

Neben diesem wichtigen Exkurs in die Geschichte, von der man auch als kurzweiliger Indonesienbesucher ein wenig wissen sollte, sind es vor allem die kenntnisreichen, oft  sehr amüsanten Erlebnisse und Anekdoten aus dem Leben und den Erfahrungen des langjährigen „Expats“ H. Geerken, dem Indonesien – wie er bekennt – zur zweiten Heimat geworden ist.

Wer sollte sich die Lektüre gönnen? Natürlich alle, die ein wenig mehr über Indonesien erfahren wollen, als die Prospekte der Reiseveranstalter dem Touristen an die Hand geben. Für jemanden wie mich aber, der selbst neun Jahre von 1968 -1977 in Indonesien gelebt und gearbeitet hat, also auch ein paar Jahre zur selben Zeit wie der Autor,  bedarf es keiner Leseempfehlung für dieses Buch. Es ist eine lebendige – fast nostalgische Erinnerung an ein Indonesien, das es heute so fast nicht mehr gibt.  Einen herzlichen Dank an den Autor also, der sich die Mühe – aber sicher auch die Freude – gemacht hat, seine indonesischen Erfahrungen mit uns zu teilen. Terima kasih, Pak!

nb.  Das Buch ist ja schon 2009 erschienen, und ich hatte es schon 2010 gelesen.Die kleine Buchrezension hätte eigentlich schon längst verfasst sein müssen. Entstanden ist damals aber zunächst der Blog-Artikel  „Merdeka atau Mati“ über den indonesischen Unabhängigkeitskampf .  Inzwischen hatte ich aber das Buch verliehen und erst vor kurzem wieder in die Hand bekommen. Nach einer neuerlichen Lektüre war es mir eine Herzenssache, mich für das Lesevergnügen durch eine kleine Besprechung zu bedanken.

Oktober 2017 (KS)